Die Launen des Teufels
schließlich, als die Wirtin mit unangebracht wirkender Heiterkeit den Kopf in ihre Nische gesteckt hatte, war Anabel halb dankbar, halb mürrisch in den Schankraum geschlichen, um dafür zu sorgen, dass es Katharina an nichts mangelte. Nachdem sie das Feuer entzündet und den Boden gefegt hatte, hatte sie den neben der Tür auf einem Schemel schlafenden Baldewin wachgerüttelt und ihm einen kräftigenden Trunk gereicht, den dieser dankbar angenommen hatte. Wenngleich sie sich zuerst vor dem grimmig wirkenden Hünen gefürchtet hatte, waren ihr seit ihrem Einzug in die Herberge die Sanftheit und Güte aufgefallen, die sich unter der rauen Schale verbargen. Sowie die Liebe, die er für seine Herrin empfand, die sich in diesem Moment auf eine der Holzbänke fallen ließ.
»Ich kann diese ewigen Grützen und Breie nicht mehr sehen!« Ein etwas gezwungen wirkendes Schmunzeln verzog Katharinas volllippigen Mund, als sie die Röcke glatt strich und einen Blick zurück zur Küche warf. »Wenn du etwas Latwerge, Datteln oder Feigen auftreiben könntest …« Ihre Augen leuchteten sehnsüchtig. »Wenn ich gewusst hätte, dass der Markt in der Fastnachtszeit zweitägig abgehalten wird, hätten wir gestern schon etwas Abwechslung gehabt.« Sie zuckte die Achseln und machte eine Geldkatze von ihrem Gürtel los, aus der sie zwanzig Schillinge vor Anabel auf den Tisch zählte. »Das sollte genügen.«
Nachdem sie Anabel eine genaue Auflistung der Dinge, die sie benötigte, ausgehändigt hatte, griff das Mädchen nach Glocke und Korb und machte sich auf den Weg zum Rathaus. Das Getümmel erschien ihr an diesem Tag besonders bedrückend, und ein Prickeln auf ihrer Kopfhaut veranlasste sie dazu, sich mehr als einmal umzudrehen. Folgte ihr jemand? Als sie zum wiederholten Mal unvermittelt stehen geblieben war und den Kopf gewandt hatte, schalt sie sich eine überreizte Gans, da außer den zum Markt eilenden Händlern und Kaufwilligen nichts Ungewöhnliches das Bild störte. Mit einem unterdrückten Seufzen stellte sie sich am Ende der Schlange vor einem der Metzgerstände an und wartete darauf, dass die Reihe an sie kam. Danach steuerte sie in Richtung Brunnen, in dem die Fischer ihren Fang frisch hielten, und wählte einen Karpfen und drei zappelnde Forellen, die vor ihren Augen geköpft und ausgenommen wurden. Sie wollte sich gerade auf die Suche nach dem von Katharina begehrten Naschwerk machen, als sie eine Hand am Ärmel ihrer Glocke festhielt. Einen Schrei erstickend, wirbelte sie herum und blickte in Vrens gutmütiges Gesicht, das einem großen Fragezeichen glich.
»Hast du mich erschreckt!«, hauchte Anabel schwach und nahm dankbar den stützenden Arm der Freundin, die sie etwas abseits führte.
»Du hast vergessen, dass wir uns heute treffen wollten«, stellte Vren nüchtern fest und musterte Anabel forschend, bevor sie ernst hinzusetzte: »Es ist also wahr. Die Gerüchte stimmen.«
Wenngleich sie sich bemühte, die Tränen zurückzuhalten, glänzten Anabels Wangen innerhalb weniger Lidschläge nass, und sie ließ sich widerstandslos in einen mit Kisten halb verbauten Hinterhof schieben.
»Hast du mit ihm gesprochen?«, fragte Vren eindringlich, als Anabel sich ein wenig beruhigt und gegen eine der leeren Truhen gelehnt hatte.
»Nein«, presste diese hervor. »Ich habe vor dem Gefängnis gewartet, aber er ist nicht aufgetaucht.« Aufs Neue drohte der Kummer sie zu überwältigen, doch Vren zwang sie mit einem Griff ans Kinn, sie anzublicken.
»Ich weiß, wo sie die angeblichen Mörder und Schwerverbrecher unterbringen«, verkündete sie stolz. Und da Anabel schon lange aufgehört hatte, sich zu fragen, woher die Freundin ihre Informationen bezog, starrte sie diese lediglich sprachlos an. »Komm mit«, forderte Vren sie auf und nahm ihr den Korb ab. »Wir müssen die Stadt verlassen.«
Sie zerrte die aufgelöste junge Frau nach Osten zur Herdbrücke, wo sie sich durch die in die entgegengesetzte Richtung strömenden Karren, Reiter und zu Fuß Gehenden kämpften. Am Stadttor selbst zollte man ihnen keinerlei Beachtung, und nachdem sie sich am Ufer der Donau nach rechts gewandt hatten, duckten sie sich in die tiefen Schatten der Stadtmauer. Etwa zweihundert Fuß vor ihnen ragte das mit bunten Schindeln gedeckte Dach des Metzgerturms in den blauen Himmel, das in seiner Fröhlichkeit einen ironischen Kontrast zur Funktion des schiefen Gebäudes bildete. Bereits aus der Entfernung drangen die unheimlichen Laute aus den
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