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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Augen wieder, um sich einige Zeit lang zu erholen. Mit jedem mühsamen Hauch, den er tat, verstärkte sich jedoch der ihn marternde Durst, und als das Gefühl, von innen her zu vertrocknen, unerträglich wurde, schob er sich einige Zoll nach rechts. Dort, halb verborgen im Stroh, befand sich eine Wasserschale, deren Inhalt verlockend glitzerte. Wenngleich ihn jede Bewegung beinahe übermenschliche Anstrengung kostete, erreichte er nach einigen Minuten schließlich das Gefäß, vor dem er keuchend liegen blieb. Zitternd vor Entkräftung wartete er darauf, dass das Dröhnen seines Herzens nachließ, bevor er den Mund an den Rand presste und gierig trank.
    Er hatte beinahe den Boden der Schüssel erreicht, als ihn ein harter Schlag traf und der Bass mürrisch feststellte: »Du bist nicht der einzige hier! Lass gefälligst was für uns übrig!« Damit entriss der Mann dem Knaben den Trunk, um ihn selbst in einem Zug zu leeren. Da man ihm die Hände frei gelassen hatte, stemmte er sich danach zurück in die Ecke, von wo aus er Bertram misstrauisch beäugte.
    »Was hast du angestellt, Bursche?«, fragte er nach kurzem Schweigen. »Gestohlen, betrogen oder ausgerissen?«
    Bertram, dessen Lebensgeister zurückkehrten, schüttelte schwach den Kopf und murmelte: »Nichts.«
    Diese Antwort entlockte dem Riesen ein amüsiertes Prusten. »Das sagen alle«, spuckte er verächtlich aus. »Aber mir kannst du die Wahrheit anvertrauen.«
    Bevor Bertram etwas erwidern konnte, näherte sich vom Korridor her das Klimpern eines Schlüsselbundes, und als kurz darauf der Riegel über das Holz flog, schienen seine Mitgefangenen die Luft anzuhalten.
    »Rein da.« Grob packte der im Rahmen auftauchende Kerkermeister einen gebeugten Mann am Schopf und schleuderte ihn in die überfüllte Zelle, bevor er auf den Hünen zutrat und ihn in die Höhe zog. »Sag Lebewohl«, höhnte er und zwang ihn, vor sich her zu trotten, bevor er die Tür hinter sich zuknallte.
    Schwitzend und frierend zugleich, schob Bertram sich an der Wand in die Höhe, um dem vor seinen Füßen gelandeten Neuzugang Platz zu machen. Wie viel Zeit mochte seit seiner Rückkehr aus der Folterkammer vergangen sein?, grübelte er, während er tief und bewusst Atem holte. Der Trunk schien wahre Wunder zu vollbringen, da langsam aber sicher seine Sinne wieder erwachten. Da sich das taube Gefühl in seinen Fingerspitzen allmählich legte, führte er verstohlen die Hand unter sein Hemd, um seine Achseln zu betasten. Wann würde ihn die Krankheit töten? Unsicher fand er sein Ziel, und als er das Geschwür berührte, verkniff er sich nur mit Mühe einen Ruf des Erstaunens. Anstatt zuzunehmen, schien die Schwellung zurückgegangen, und auch seine Haut wirkte weit weniger empfindlich als zuvor. Bebend vor Erregung zog er die Finger zurück und rechnete nach. Selbst wenn nicht mehr als ein Tag vergangen war, seit ihn Geri aus den Klauen gelassen hatte, müsste die Krankheit inzwischen so weit fortgeschritten sein, dass er sich kaum mehr bewegen konnte. Er legte die Stirn in Falten.
    Sollte er einer der wenigen Glücklichen sein, die an der harmlosen Variante der Seuche erkrankten? Glücklich! Er lachte lautlos. Welcher Dummkopf würde in seiner Lage von Glück reden? Vorsichtig bewegte er seine Zehen und Beine, winkelte die Arme an und testete die Funktion seiner Lunge. Bis auf das kraftraubende Fieber und den leichten Husten schien es ihm gut zu gehen, was ihn unter normalen Umständen dazu veranlasst hätte, Gott auf Knien zu danken. So jedoch schien es gleichgültig, woran er starb. Ob an der Pest oder dem Strang des Henkers!, dachte er bitter, fegte diesen Gedanken jedoch beiseite, als der Mann zu seinen Füßen sich mit einem lang gezogenen Schmerzenslaut an den Arm griff. Da er mit dem Gesicht voraus im Stroh gelandet war, sah Bertram erst jetzt, da er sich mühsam aufrichtete, dass sein rechtes Handgelenk von einer blutigen Bandage umwickelt war. Am ganzen Körper schlotternd zwang sich der Gefangene auf die Knie und starrte auf den Verband, aus dem ein fingerbreiter Blutbach seinen Unterarm entlangrann.
    Als er sich mit der Linken den verfilzten schwarzen Schopf aus der Stirn wischte, entfuhr Bertram ein Schrei, der den Kopf des Gefolterten in seine Richtung zucken ließ. Die im schwachen Schein der Fackel schwarz glänzenden Augen bohrten sich in die seinen, doch bevor der Mann den Mund öffnen konnte, stieß Bertram rau hervor: »Vater!« Die eben abgeklungene Schwäche kehrte in

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