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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Kehle hinabzuzwingen. Sie brauchte Kraft. Wenn sie die nächsten Tage überstehen wollte, benötigte sie alle Reserven, die sie besaß. Sollte ihnen die Flucht aus der Stadt gelingen, würden sie es einige Zeit lang vermeiden müssen, an öffentlichen Orten zu übernachten; was bedeutete, dass sie der Kälte lediglich durch die Leinwand und die Lammfelle geschützt würden trotzen müssen. Das Kind, das sie inzwischen mit einem Tuch vor ihrer Brust befestigt hatte, bewegte sich, und Anabel drückte es liebevoll an sich. Würde sie den Jungen beschützen können, so wie sie es Katharina versprochen hatte?
    Vor dem Fenster torkelte soeben einer der allgegenwärtigen Leichenkarren vorbei, um rechts und links der Straße die Toten aufzulesen. Was, wenn es ihnen nicht gelang, vor der Seuche zu fliehen? Sie seufzte tief und kaute gedankenverloren an einem Stückchen Kuchen, das dem Bier gefolgt war. Sie musste sich zusammennehmen!, beschloss sie energisch und straffte die schmerzenden Schultern. Wie sinnlos es war, sich zu fürchten und sich all die schauerlichen Dinge auszumalen, die ihnen widerfahren konnten! Sie sollte Gott für die glückliche Fügung ihres Schicksales danken!
    Zu Beginn der Woche hatte es noch so ausgesehen, als habe sich alles gegen sie und Bertram verschworen. Doch mit dem heutigen Tag würde sich ihr Los ändern! Anstatt Egloff als Braut zugeführt zu werden, würde sie mit dem Mann, den sie liebte, ein Leben an einem anderen Ort beginnen, wo niemand ihre Herkunft kannte. Wenn es ihnen gelingen sollte, den kleinen Wulf bei einem Einsiedlerorden zu verbergen, würden sie sich in der Nähe niederlassen und ihren Lebensunterhalt verdienen, ohne dass jemand einen Großteil davon für sich beanspruchte. Sie lächelte sehnsüchtig. Vielleicht bewerkstelligte es Bertram sogar, einen Meister zu finden, bei dem er seine unterbrochene Steinmetzausbildung zu Ende bringen konnte.
    Die nächsten Stunden verbrachte sie damit, das anschwellende Gegröle der Trinker zu ignorieren und sich in Gespinsten ihrer Vorstellung zu verlieren, bis sich der Knabe an ihrer Brust mit einem ärgerlichen Weinen zu Wort meldete. Behutsam löste sie ihn aus dem Tuch, bettete ihn in ihrer Armbeuge und setzte das Fläschchen an seinen Mund, der sich gierig um den hölzernen Sauger schloss. Zug um Zug leerte sich der Schlauch, bis er schließlich schlaff auf den Tisch fiel.
    Sobald das Kind wieder eingeschlafen war, bat Anabel den Wirt darum, das Ziegenleder mit lauwarmer Milch zu füllen, und kaum hatte der vierschrötige Mann ihre Bitte erfüllt, tauchte Baldewins breite Gestalt in dem niedrigen Türrahmen auf. Das Gesicht des hünenhaften Ritters glich einer aus Stein gehauenen Maske, und lediglich das Zucken eines Augenlids verriet seine Erregung. Ohne Anabels unausgesprochene Frage zu beantworten, fasste er sie am Arm und forderte sie auf, vor ihm hinaus in die hereinbrechende Abenddämmerung zu treten. Mit gesenktem Kopf folgte er ihr, löste das Fuhrwerk aus und gab ihr zu verstehen, sich auf der Ladefläche zu verstecken. Hinter Vorratsfässer, Felle und zwei riesige Schinken gekauert, lauschte Anabel auf die Geräusche der Stadt, die sie nie wiedersehen würde. Ein Stich des Gewissens ließ sie an Gertrud denken, doch da sich ihre Stiefmutter aus dieser Welt zurückgezogen hatte, verdrängte sie die Bisse und richtete die Aufmerksamkeit auf das bevorstehende Wagnis.
    Rumpelnd schleuderte sie der Karren von einer Ecke in die andere, und als Baldewin das Gefährt nach scheinbar immerwährender Fahrt endlich verlangsamte, stieß sie erleichtert die Luft aus – nur um sie kurz darauf angsterfüllt einzuziehen. Halb verdeckt vom Rücken des Ritters näherte sich die schief in den Himmel ragende Silhouette des Metzgerturms, über dessen Dach eine Unzahl schwarzer Krähen kreiste. Unheil verkündend lag ihr durchdringendes Krächzen über dem wie ausgestorben daliegenden Häuserkarree, welches das Gefängnis umgab, vor dessen Eingang vier beeindruckend bewaffnete Männer Wache standen.
    »Halt!«, gebot einer von ihnen und trat auf das Fuhrwerk zu, das Baldewin in etwa dreißig Fuß Entfernung zum Stehen brachte. »Kehrt um, hier könnt Ihr nicht durch!« Zwei weitere Wachen gesellten sich zu dem Sprecher, der drohend die Hellebarde auf den Ritter richtete. Dieser hob beschwichtigend die Hände, glitt zu Boden und fuchtelte mit dem von Katharina so kunstvoll gefälschten Befehl.
    »Ich komme im Auftrag des Grafen von

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