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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Mädchens, auf dem sich eine Unzahl widerstreitender Gefühle abzeichnete.
    »Ihr müsstet die Stadt verlassen«, setzte sie hinzu. »So weit wie möglich von Ulm und dieser entsetzlichen Seuche fort.« Anabel nickte langsam, während ein Funke der Hoffnung in ihren Blick trat. »Vielleicht findest du eine einsame Abtei, in der ihr Unterschlupf finden könnt.« Katharina nestelte an ihrem Gürtel. »Hier sind dreißig Gulden. Damit könntest du die Heiligen Schwestern bezahlen oder selbst dafür sorgen, dass es ihm an nichts mangelt.« Die schwere Geldkatze klimperte leise, als sie diese auf das kleine Tischchen fallen ließ. »In etwa einem Jahr lässt du mir eine unverfängliche Nachricht zukommen, wo er sich befindet. Alles Nötige ist bereits vorbereitet.« Ihre Hände zitterten, als sie sich eine Locke aus der Stirn wischte. »Ich kann ihn niemandem sonst anvertrauen. Mein Gemahl wird überall nach ihm suchen.« Das Hämmern ihres Herzens schien von den Wänden der Stube widerzuhallen, und während sie Anabel angespannt beobachtete, gruben sich ihre Fingernägel schmerzhaft in ihre Handflächen. »Ich habe einem Bengel zehn Pfennige zugesteckt, damit er uns informiert, sobald die Männer des Grafen im Hospital eintreffen«, unterbrach Baldewin die Spannung. »Damit bleibt Euch ein wenig Zeit, bevor sie diese Unterkunft ausfindig machen.« Immer noch schwang Groll über den Zwischenfall mit Wulf in seiner tiefen Stimme mit, doch für Eifersucht war jetzt nicht die richtige Zeit.
    »Ich kann ohnehin nicht in dieser Stadt bleiben«, flüsterte Anabel schließlich traurig und wischte sich verstohlen die Augen. »Aber wie wollt Ihr Bertram aus dem Gefängnis befreien?«
    Trotz aller Bangigkeit stahl sich ein Lächeln auf Katharinas Züge. »Das dürfte einfacher sein als alles andere.«
     

Kapitel 42
     
    Stimmen! Mit einem heiseren Stöhnen versuchte Bertram, die bleischweren Lider zu heben, doch das Fieber hatte ihn so sehr geschwächt, dass er nach kurzer Zeit aufgab. Trocken und schwer klebte seine Zunge an dem geschwollenen Gaumen, der das Schlucken nahezu unmöglich machte. Von seinen Achselhöhlen strahlte ein pochender Schmerz aus, der jedoch entgegen der schlimmen Befürchtungen erträglicher war als angenommen. Ein Kratzen in seinem Hals ließ ihn ein trockenes Husten ausstoßen, woraufhin das Tuscheln der durcheinanderredenden Stimmen aufs Neue einsetzte. Unzusammenhängende Wortfetzen drangen an seine Ohren, in denen das Rauschen des eigenen Blutes zu einem einschläfernden Rhythmus gefunden hatte. Träumte er? Unter Aufbietung aller Kraftreserven zwang er sich zu einem Blinzeln, das ihm jedoch nichts außer verwischter Dämmernis enthüllte. Während eine der körperlosen Stimmen einen hohen Singsang anstimmte, raunten andere heiser oder ermattet Dinge, die Bertram nur halb verstand. »Herr Jesus vergib mir meine Schuld. Herr Jesus vergib mir meine Schuld. Herr Jesus vergib mir meine Schuld …«
    Die monotone Wiederholung dieses Gebetes kristallierte sich nach einigen Minuten angestrengten Lauschens heraus, bis ein mürrischer Bass brummte: »Er wird dir deine Schuld nicht vergeben, du Narr. Du wirst morgen hingerichtet!«
    Ein Wimmern löste das Flehen ab, und da sich allmählich tanzende Schatten hinter Bertrams geschlossenen Lidern abzeichneten, bemühte sich der Knabe abermals, die Augen zu öffnen. Nach unzähligen Versuchen brach schließlich die dicke Kruste, die seine Wimpern verklebte, und es gelang ihm, einen kurzen Blick auf seine Umgebung zu erhaschen.
    Geblendet von dem Licht einer flackernden Fackel erkannte er das Innere seiner Zelle, die er sich inzwischen mit einer Anzahl weiterer Gefangener teilte. Die ungewohnte Helligkeit bereitete ihm Schmerzen, doch nachdem er seine müden Augen einige Zeit lang ausgeruht hatte, wagte er einen weiteren Blick. Der an die Wand gekettete Pesttote war einer nackten Frau mit langem, strähnigem Haar gewichen, deren Körper von getrocknetem Blut überzogen war. Zu seinen Füßen kauerte ein alter Mann, der sich auf den Knien hin und her wiegte und einen Rosenkranz umklammerte, während sich seine Lippen in dem inzwischen lautlosen Gebet bewegten. Der Bass schien zu einem riesenhaften Kerl zu gehören, dessen linkes Ohr fehlte, und dessen Beine mit einer schweren Kette gefesselt waren. Die Ansammlung wurde ergänzt durch eine zahnlose Alte, deren Stirn ein blutiges Tuch bedeckte.
    Nachdem er diese Veränderungen registriert hatte, schloss Bertram die

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