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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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hatten, den Gießer zu befragen.
    »Langsam geht uns der Platz aus«, murrte der Hüne, packte Conrad am Schopf und bugsierte ihn derb in das Untergeschoss, wo er ihn nach wenigen Minuten in eine Kammer beförderte, in der etwa zwei Dutzend Pfähle nebeneinander angebracht waren. An etwa der Hälfte dieser Pflöcke hingen Gefangene, doch bevor Conrad der Zweck dieses Raumes klar wurde, schlossen sich kalte Eisenzwingen um seine Handgelenke. Mit einem Ruck zerriss der Scherge seine Schecke und zerrte an seinem Hemd, bis der Oberkörper des Gießers vollkommen entblößt war. Daraufhin griff er nach einer aufgerollten, mit Metallkugeln verstärkten Geißel, schüttelte diese und trat hinter sein entsetztes Opfer. Wie hatte sich die Talfahrt des Rades der Fortuna nur so schwindelerregend beschleunigen können?, dachte Conrad ungläubig, bevor sich die Riemen brennend in seine Haut fraßen.
     
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    Zufrieden wie ein gesättigter Kater trat Henricus einige Zeit später, nachdem sich die aufgeregten Ratsmitglieder zerstreut hatten, den Heimweg zur Franziskanerabtei an. Den immer noch frischen Wind ignorierend, eilte er an der Baugrube vorbei und tauchte in dem Moment in den Schutz des Abthauses ein, in dem eisiger Regen einsetzte. Nachdem sich das Wetter im Verlauf des Tages ein wenig aufgeklärt hatte, waren am Abend dicke Wolken aus Osten über die Alb hereingezogen, was vermutlich neuen Schnee bedeutete.
    Als er die angenehm geheizte Halle seiner Unterkunft betrat, reichte er dem ihn erwartenden Novizen die wollene Kukulle und begab sich ins Obergeschoss, wo er die Hände an der Feuerstelle in einem der schlicht eingerichteten Wohngemächer wärmte. Diese Schlacht war gewonnen!, frohlockte er und griff nach dem heißen Met, den ein weiterer Novize mit einer ehrerbietigen Verbeugung auf dem Tisch abstellte. Gott hatte ihm ein weiteres Mal seine Gunst gezeigt! Stillvergnügt rief er sich den Ausdruck auf dem Gesicht des falschen Aldermans in Erinnerung, als diesem klar geworden war, dass es kein Entrinnen mehr gab. Niemand forderte einen Mann Gottes ungestraft heraus! Ein sonniges Gefühl der Befriedigung ergriff von ihm Besitz, und er ließ sich seufzend in einen der dick gepolsterten Sessel fallen, welche zu den wenigen Möbelstücken gehörten, die er nicht ausgetauscht hatte. Wohingegen die obszön weltlichen Wandbehänge, welche Franciscus so hoch geschätzt hatte, ein Opfer der Flammen geworden waren, hatte Henricus an diesem einen Luxus festgehalten. Außer diesen kostbaren Möbelstücken erinnerte nichts mehr an den ausschweifenden Lebensstil seines Vorgängers, den die eigene Sündhaftigkeit zu Fall gebracht hatte. Angewidert verzog Henricus die dünnen Lippen. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass sein eigenes Schicksal offenbar mit dem des Gießers verknüpft war; doch hätte dessen Tochter nicht endgültig die Reinheit der Seele des ehemaligen Abtes befleckt, hätte Gott diesen nicht mit der entsetzlichen Plage gestraft. Und Henricus hätte noch Jahre auf den ihm zustehenden Posten warten und die ekelhaften Ausschweifungen mit ansehen müssen!
    Seine Hand wanderte zu dem goldenen Kruzifix, das er von Franciscus geerbt hatte. Während seine Fingerkuppen über das geschmeidige Metall strichen, betrachtete er versonnen den Tanz der Flammen, welche für ihn stets eine symbolische Warnung darstellten. Allein der Gedanke an das Inferno der Hölle ließ ihm den Schweiß aus den Poren treten, doch da er alles unternahm, um den Willen des Herrn zu erfüllen, fürchtete er sich von Tag zu Tag weniger vor den dies irae – dem Jüngsten Gericht. Wenn seine Erfolge nicht als Anerkennung zu sehen waren, als was dann?, grübelte er und zählte die Feinde, die er in letzter Zeit niedergerungen hatte, an den Fingern ab. Franciscus war sein eigener Untergang gewesen. Doch die Beginen hatte einzig er, Henricus, durch das Exempel, das er an einer von ihnen statuiert hatte, in die Schranken gewiesen. Ebenso diesen Bauernlümmel von Glockengießer, der gemeint hatte, ihn übertölpeln zu können! Bei der Wahl des nächsten Aldermans würde Henricus all seinen Einfluss geltend machen, um sicherzustellen, dass das Bauunternehmen wieder in die Hand der Kirche überging. Denn wer sonst sollte dafür geeignet sein, ein Gotteshaus von nie da gewesener Pracht und Gewaltigkeit zu errichten?! Er drehte nachdenklich den Pokal zwischen den Fingern, bevor er diesen absetzte und die Füße auf das Gitter vor der Feuerstelle legte,

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