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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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lediglich fassungslos an, bevor mit zurückkehrender Kraft auch seine Neugier erwachte. »Wo bin ich?« Mühsam drehte er den Kopf und wies mit dem Blick auf den Ritter, der den Karren lenkte. »Und wer ist dieser Mann?«
    »Das ist der Mann, der deine Unschuld bezeugt und meinen Vater angezeigt hat«, versetzte sie leise und legte den Finger an die Lippen, da das Fuhrwerk soeben angehalten hatte.
    »Es ist nicht sicher, zu dieser Stunde die Stadt zu verlassen«, brummte eine heisere Stimme, die von klirrendem Metall und dem Quietschen einer Winde begleitet wurde. Durch einen breiten Spalt in der Zeltleinwand drang das Licht mehrerer Fackeln in das Innere des Wagens, sodass Anabel sich schützend vor Bertram schob.
    »Das lasst unsere Sorge sein«, tönte der Wagenlenker ungehalten und zeigte auf das Wappen auf seiner Brust. »Die Gräfin von Württemberg wartet nicht gerne.« Damit ließ er die Peitsche knallen und gab den Torwachen zu verstehen, den Weg freizugeben und ihn aus der Stadt auszulassen.
    Sobald sich die schweren Tore mit einem dumpfen Donnern hinter ihnen geschlossen hatten und die Ochsen über die Herdbrücke zuckelten, fuhr Anabel fort: »Baldewin war dort in jener Nacht. Er hat euch beide gesehen.«
    Unter gewaltiger Anstrengung gelang es Bertram, sich auf die Seite zu drehen und den Mann genauer in Augenschein zu nehmen. Da ihm in der Mordnacht jedoch Nebel und Entsetzen die Sicht getrübt hatten, erkannte er in dem Wagenlenker kaum den Fackelträger wieder, dessen Auftauchen er herbeigefleht hatte. Sollte Gott seine verzweifelten Gebete erhört haben? Anstatt einer Antwort drängte sich die Trauer über den Tod seines Vaters zurück in seine Gedanken und er schloss erneut die brennenden Augen.
    Bevor ihn die Leere überwältigen konnte, zügelte der Ritter den Ochsenkarren ein weiteres Mal und wandte sich zu den beiden jungen Leuten um.
    »In etwa zwei Meilen Entfernung gabelt sich die Straße. Wenn ihr nach Osten wollt, nehmt die rechte. Sollte euer Ziel im Westen liegen, wendet euch nach links. Gottes Segen sei mit euch.« Mit diesen Worten glitt er vom Bock und verschwand in der Dunkelheit, aus der kurz darauf das Wiehern eines Pferdes ertönte.
    Während Bertram mit den ihn überwältigenden Gefühlen kämpfte, drückte Anabel seine Hand, bevor sie den Platz des Ritters einnahm, um die Zugtiere weiter zu treiben. Einige Hufschläge lang gelang es Bertram, die Augen offen zu halten, bevor ihn Erschöpfung und Fieber abermals in einen tiefen Schlaf fallen ließen. Aus weiter Ferne drang irgendwann das Weinen eines Säuglings an sein Ohr, doch da Wachen und Träumen nahtlos ineinander übergingen, konnte er nicht festmachen, woher die ungewohnten Laute kamen.
    Als sich schließlich nach vielen Stunden ein Sonnenstrahl auf sein Gesicht stahl, schreckte er mit einem verwirrten Ausruf auf und stemmte sich frisch erholt auf die Ellenbogen. Die ihn seit Tagen quälende Mundtrockenheit war wie weggewischt, und auch das Fieber schien gesunken zu sein. Mit einem lauten Knurren meldete sich sein Magen zu Wort, und als sein Blick auf die Vorräte zu seiner Linken fiel, lief ihm das Wasser im Munde zusammen. Neugierig suchte er das überfüllte Innere des stehenden Karrens nach Anabel ab, konnte jedoch weit und breit keine Spur von ihr entdecken. Ungläubig registrierte er die Vorratsfässer, Felle, Schinken und etwas, das er für ein Kinderkörbchen hielt, und schüttelte den nur noch leicht schmerzenden Kopf. Nachdem er einige Zeit lang mit dem ihn überkommenden Schwindel gekämpft hatte, schlug er die Decke zurück und unternahm einen Versuch aufzustehen. Als gehörten sie einem anderen, widerstanden seine Beine zuerst den Anstrengungen, doch nachdem Bertram sich zum wiederholten Mal an einem der Fässer in die Höhe gezogen hatte, sackte er nicht augenblicklich wieder in die Knie. Mit der Hand an der Karrenwand schob er sich langsam in Richtung Sitz, auf den er sich sinken ließ, um heftig atmend den Anblick zu bewundern, der sich seinen stechenden Augen bot.
    Vor ihm erstreckte sich eine von kahlen Pappeln und Linden gesäumte Uferlandschaft, deren blendendes Weiß in schmerzhaftem Kontrast zu dem leuchtenden Azurblau eines wolkenlosen Himmels stand. So weit sein Blick reichte, schlängelte sich das breite Band der Donau durch das zu beiden Seiten sanft ansteigende Tal, in dem sich hie und da ein vereinzeltes Gehöft zwischen Tannen- und Fichtenhaine duckte. Zu seiner Linken erhob sich in weiter Ferne

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