Die Launen des Teufels
Ihr Körper bebte vor Empörung. »Es ist eine solch ungeheuerliche Sünde, dass Gott sich von ihm abwenden wird.«
Wenn es tatsächlich einen barmherzigen Gott gibt!, dachte Anabel bitter, da sie seit dem Ausbruch der furchtbaren Seuche immer mehr daran zweifelte, dass der Gott, zu dem sie täglich betete, etwas anderes sein konnte als ein Rächender.
Kapitel 17
Heidenheim, 8. Dezember 1349
Mit einem geblendeten Blinzeln schloss Katharina von Helfenstein einen Moment lang die Lider, bevor sie mit zusammengekniffenen Augen den Horizont weiter nach dem von ihr ausgesandten Reiter absuchte, der seit zwei Tagen überfällig war. Wie der Rücken eines stacheligen Lindwurms wand sich die im Osten an das Brenztal anschließende, bewaldete Hügelkette des Härtsfeldes bis nach Dischingen, wo sie in eine kahle, von Wacholderbüschen aufgelockerte Hochfläche überging, die in der Nähe der Burg Katzenstein von einem kleinen See unterbrochen wurde. Entlang des flach abfallenden Ufers dieses winzigen Gewässers führte eine Straße nach Neresheim, wo Katharina vor vielen Jahren auf einem Ausflug mit ihrem Vater einmal haltgemacht hatte. Stirnrunzelnd versuchte sie, sich die kein Dutzend Steinwürfe vom Ufer des Sees entfernte Ringburg ihres Liebhabers, Wulf von Katzenstein, in Erinnerung zu rufen, doch wie die Male zuvor scheiterte sie auch diesmal an der Barriere des Vergessens. Alles, was sie noch wusste, war, dass ihr Vater auf diesem Ausritt einige wertvolle Reittiere bei einem Neresheimer Züchter erstanden hatte, die er voller Stolz auf die heimatliche Burg geführt hatte. Beklommen schüttelte sie die flüchtige Erinnerung ab und starrte weiter in die Ferne, bis sie einen hüpfenden Punkt entdeckte, der sich zwischen den Hügeln der Ummauerung Heidenheims näherte. Während die schneidende Kälte ihre Wangen erstarren ließ, rieb sie nervös die behandschuhten Finger aneinander und versuchte erfolglos, die Aufregung im Zaum zu halten, die sich ihres geschwollenen Leibes bemächtigte.
Seit der Abreise der Männer vor etwas mehr als drei Wochen war sie alleinige Herrin der Burg, was sie am Anfang mit beinahe kindlicher Freude erfüllt hatte – besonders, da Ulrich ihre Bitte um mehr Zeit gewährt hatte. Diese war allerdings bereits nach wenigen Tagen der erdrückenden Einsamkeit und Bangigkeit gewichen, als der zweite von ihr ausgesandte Bote mit einer wenig diplomatischen Antwort Wulfs zu ihr zurückgekehrt war, in der dieser sie vertröstet und um Geduld gebeten hatte. Die Geschäfte, denen er in Schwäbisch Hall hatte nachgehen müssen, erforderten seine volle Aufmerksamkeit. Was zur Folge hatte, dass er in Katzenstein im Moment unabkömmlich war, hatte er sie in seiner kraftvollen Handschrift wissen lassen, bevor er den Brief mit einer nichtssagenden Floskel der Ergebenheit unterzeichnet hatte. Ein Ziehen stahl sich in ihre Schläfe, und da sie befürchtete, sich trotz des wollenen Gebendes, das ihre wilde Lockenpracht sittsam zähmte, zu erkälten, warf sie einen letzten Blick auf den einsamen Reiter und trat von dem überdachten Wehrgang zurück in den gewundenen Treppenaufgang, der sie in den obersten Stock führte. Dort stieß sie die eisenbeschlagene Tür auf und betrat den leicht überheizten Raum, in dem sie ihre aufwendige Stickarbeit zurückgelassen hatte. Erschöpft von der Kälte und der Anstrengung des Treppensteigens sank sie in den hochlehnigen Stuhl, griff nach Nadel und Faden und fuhr mechanisch damit fort, das winzige Kinderkleidchen mit dem Wappen ihres Hauses zu verzieren. Sorgfältig, das leichte Zittern ihrer Hand unterdrückend, zog sie den Silberfaden durch den Rüssel des schimmernden Elefanten, der schreitend den roten Schildgrund durchmaß. Wenn ihr Sohn schon ein Bastard würde, dachte sie niedergeschlagen, dann sollte er wenigstens das Wappen seiner Mutter mit Würde tragen! Erneut überfiel sie ein Anfall der Beklemmung, wenn sie an die Folgen dachte, welche die Geburt dieses Kindes für sie und ihren Liebhaber haben könnte. Zwar hatte sie die Hoffnung noch nicht aufgegeben, ihrem Gemahl, dem Grafen Ulrich von Württemberg, weismachen zu können, dass das Kind aus den wenigen kläglichen Versuchen ihres Ehevollzugs hervorgegangen war. Doch hatte sie eigentlich eher die Zuversicht gehegt, dass sich der leibliche Vater der Frucht seiner Lenden annehmen würde. Ein säuerlicher Ausdruck huschte über ihr Gesicht. So wie die Dinge standen, sah es allerdings eher so aus, als
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