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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Reaktion zeigte, sondern lediglich mit geschlossenen Augen um Fassung rang, erhob er sich und zog sich mit klirrendem Kettenpanzer zur Tür zurück, wo Katharinas heisere Stimme ihn zurückhielt.
    »Ich danke Euch für Eure Treue, Baldewin«, murmelte sie. »Aber ich kann nicht zulassen, dass Ihr eine Fehde beginnt, die Tod und Vernichtung über die Untertanen meines Vaters bringen würde. Diese Angelegenheit geht nur Wulf und mich etwas an.« Damit entließ sie den Ritter, der nur unter Aufbietung all seiner Selbstbeherrschung eine hitzige Antwort unterdrückte, und sank zurück in die weichen Kissen, um den unregelmäßigen Schlag ihres Herzens zu beruhigen.
    Alles hatte sie erwartet, aber diese Antwort traf sie mit solch ungeahnter Heftigkeit, dass sie vermeinte zu spüren, wie aller Lebenswille schwand. Blicklos starrte sie auf den die gegenüberliegende Wand beherrschenden Silberspiegel, dessen goldener Rahmen den Schein des Feuers reflektierte. Als Teil ihrer Morgengabe war er ihr am ersten Morgen nach ihrer Hochzeitsnacht mit Ulrich übergeben worden und hatte geholfen, den schalen Nachgeschmack, den der beinahe missglückte Vollzug ihrer Ehe hervorgerufen hatte, zu vertreiben. Zu ermattet, um über das Bild, das er zurückwarf, zu erschrecken, heftete sie den Blick auf das einer Totenmaske nicht unähnliche Gesicht, das selbst ihr Vater nicht als das seiner Tochter erkannt hätte. Innerhalb der vergangenen Stunden schien sie um Jahre gealtert zu sein, und wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie geschworen, es wären die Züge einer alten Frau.
    Mit einem schweren Seufzer schloss sie erneut die Augen und grübelte über das Schicksal ihres Kindes nach, dessen Vater es bereits vor der Entbindung verstoßen hatte. Sollte sie die Geburt des Knaben überleben, schwor sie sich, würde sie alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um Ulrich davon zu überzeugen, dass es sein Fleisch und Blut war, das entgegen aller negativen Sterneneinflüsse den Leib seiner Mutter verlassen hatte. Die Tatsache, dass sie ihre Schwangerschaft vor ihm verheimlicht hatte, würde sie mit der Furcht vor Komplikationen erklären, die ja nun auch eingetreten waren, dachte sie betrübt. Vorsichtig legte sie die Hand auf die Wölbung unter der Decke und betete.
     

Kapitel 18
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    Ulm, 17. Dezember 1349
     
    »Nicht nur unser Lazarett ist überfüllt!«, gellte die sich überschlagende Stimme des erhitzten Infirmarius durch die Gänge des Hospitals. »Auch die Dominikaner, die Augustiner und das Heilig-Geist-Spital können keine Kranken mehr aufnehmen!«
    Mit einer ausladenden Geste zeigte er auf die dicht gedrängt stehenden Bettkästen, in denen immer mehr an der furchtbaren Lungenpest erkrankte Männer und Frauen unter kaum vorstellbaren Qualen die letzten Atemzüge ihres Lebens taten. Zwar war es den Beginen und Mönchen gelungen, einige der Kranken zu heilen, doch wussten weder der Infirmarius noch der Tonsor, woran es lag, dass ein verschwindend geringer Prozentsatz der Patienten genas. Als wäre dies nicht schon schlimm genug, forderten auch der Hunger und die Kälte immer mehr Opfer, sodass der Strom der Leidenden und Sterbenden täglich anschwoll. Schwer hing der beißende Geruch der überall in der Stadt entzündeten Tonnen aus Eichen- und Wacholderholz in der Luft, der sich im Inneren der Räume mit dem Duft der unterschiedlichsten Kräuter und dem alles überlagernden Gestank des ätzenden Essigs vermischte. Um einer Ansteckung zu entgehen, waren viele der Beginen dazu übergegangen, in Essig und Theriak getränkte Tücher oder Schwämme unter die Nase zu halten, wenn sie sich einem der fiebernden Kranken näherten, da diese Maßnahme laut der Gelehrten eine der wirkungsvollsten Abwehrmöglichkeiten gegen die tückische Seuche darstellte. Sobald einer der Patienten starb, wurde sein Leib von den Novizen vor die Tore der Abtei geschafft, wo die Leichenhaufen täglich anwuchsen.
    Abgestumpft von den Schreien und dem Wimmern der Leidenden, wandte sich Anabel von der unter ihren Händen verwelkenden Schönheit ab, deren ehemals volles, blondes Haar stumpf von dem einem Totenschädel gleichenden Kopf abstand.
    Anders als zu Beginn des Ausbruchs hatte die Krankheit inzwischen ihr Gesicht gewandelt, und es gab kaum mehr von Geschwüren und schwarzen Flecken entstellte Kranke. Nahezu alle litten inzwischen an einem blutigen Husten, Brustschmerzen und Lähmungen, die oft innerhalb von drei Tagen zum

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