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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Herr«, flüsterte sie und umklammerte das von ihrer Brust hängende Kruzifix. »Und vergib mir meine Schuld.« Eine Träne löste sich aus ihren dichten Wimpern und rann beinahe zögerlich die bleiche Wange hinab, die im Schein des Feuers erschreckend blutleer wirkte. Während sie auf den Saum ihres Reisegewandes hinabstarrte, füllten sich die goldfarbenen Augen, und nach wenigen Wimpernschlägen hatte sich der Pfad der einzelnen Träne in einen breiten Bach verwandelt. Während ihre Finger den Kelch umklammerten, als könne er ihr Halt bieten, ließ sie ihren Ängsten und ihrer Trauer freien Lauf.
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Kapitel 23
     
    Ulm, 20. Dezember 1349
     
    »Wer sagt es denn!«, zischte Conrad triumphierend, als er den Blick von der vor dem Rathaus ausgehängten Liste abwandte, auf der die Zwischenergebnisse der Ratswahl verzeichnet waren. Offensichtlich hatte Franciscus sein Versprechen gehalten und diejenigen der wahlberechtigten Meister, die ihm einen Gefallen schuldeten, bereits am Wochenende dazu angehalten, ihre Stimme dem von ihm persönlich favorisierten Kandidaten – nämlich Conrad – zu geben, was dazu geführt hatte, dass er bereits drei Tage vor Abschluss des Verfahrens einen sicheren Sitz im Rat errungen hatte. Breit grinsend drosch er die Faust in seine Handfläche und verzog ärgerlich das Gesicht, als ihn der Schmerz zusammenzucken ließ. Mit gerunzelten Brauen beäugte er seine gerötete Haut, bevor er sich in die aufgeregt schnatternde Menge zurückfallen ließ und mit federndem Schritt über den Marktplatz stolzierte, der an diesem Montag ungewöhnlich gut besucht war. Den seltsamen Theorien folgend, die inzwischen überall kursierten, war ein Teil der Bevölkerung dazu übergegangen, die von den Flagellanten propagierte Demut zu leben und sich in Abstinenz und geistiger Umkehr zu üben; wohingegen ein weitaus größerer Anteil der Bürger Ulms den Rat befolgte, dass die beste Medizin gegen das Unheil sei: recht viel zu trinken, das Leben zu genießen, singend und tanzend umherzuziehen, jedes Begehren zu befriedigen und über alles, was auch geschah, zu lachen und sich lustig zu machen. So wimmelte auch an diesem Tag der Platz vor dem Rathaus von Betrunkenen, die augenscheinlich dazu übergegangen waren, das Hab und Gut ihrer verstorbenen Verwandten zu verzechen, und die unter lautstarkem Gesang und dem Geklimper und Gejammer verstimmter Instrumente von Herberge zu Herberge zogen, um einen Wettlauf mit der Seuche auszutragen.
    Wenn die Pest sie nicht dahinraffte, würden sie mit Sicherheit an dem unanständig übermäßigen Genuss von billigem Alkohol und nachlässig zubereiteten Speisen zugrunde gehen!, dachte Conrad angeekelt, als er beobachtete, wie eine hässliche Vettel einem mehr als nur betrunkenen Zimmermann gestattete, vor aller Augen das Dekolleté ihres schmutzigen Gewandes aufzureißen und in das verwelkte Tal abzutauchen.
    Wie verachtenswert sie alle waren! Mit geschürzten Lippen widerstand Conrad der Versuchung, eine Handvoll junger Burschen, die ebenfalls torkelnd und schwankend ihrem Vergnügen nachgingen, mit ein paar kräftigen Tritten dazu aufzufordern, ihren Pflichten nachzugehen. Doch da die Bengel offensichtlich über mehr als genug Silber verfügten, war zu vermuten, dass sie den Besitz, den ihre Väter und Vorväter mit harter Arbeit angehäuft hatten, ohne Sinn und Verstand durchbrachten. Wer heutzutage nicht alles sein eigener Herr war! Kopfschüttelnd änderte er die Richtung und schlenderte auf die Münsterbaugrube zu, wo im Frühjahr damit begonnen werden würde, die Fundamente zu mauern. Grinsend malte er sich aus, wie er als Ratsmitglied die neu gewonnene Macht einsetzen und in fruchtbarer Zusammenarbeit mit Franciscus von den Meistern der Stadt Schmiergelder verlangen konnte, damit diese die dringend benötigten Aufträge erhielten. Das Schicksal ganzer Familien lag in seinen Händen! Wenn das Ausdünnen des Rates durch die Pest – und Gott wusste, was sonst noch für Krankheiten – so weiter ging wie bisher, würde es ihm ein Leichtes sein, die anderen Männer dazu anzustacheln, die durch den Kleinen Schwörbrief festgeschriebenen vierzehn Sitze der Patrizier ebenfalls für die Vertreter der Zünfte zu beanspruchen. Denn eines war ihm inzwischen vollkommen klar geworden: Die Versammlung bedurfte dringend neuer Führung, da der bisherige Alderman ohne Gegenwehr zugelassen hatte, dass die Mitglieder der reichen Patrizierfamilien einen nicht

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