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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Umrisse der auf der Albhochfläche gelegenen Domäne Falkenstein, des Fischerfelsens und der Bindsteinmühle in den beiden Fenstern des Fuhrwerkes auf, auf deren dünnen Scheiben sich langsam aber sicher Eisblumen bildeten. Das Blöken der allgegenwärtigen Schafherden übertönte beinahe das Holpern und Rumpeln der Räder, die sich unaufhaltsam ihren Weg durch die tiefen Rillen in dem hart gefrorenen Boden suchten. Hell warfen die Felsen das Echo des klirrenden Pferdegeschirrs zurück, und als einer der Kaltblüter ein tiefes Wiehern von sich gab, vervielfachte sich der Laut gespenstisch. Eine über zwei Zoll dicke Schneedecke ließ das Suchen der Schafe nach trockenem Gras lächerlich und vergeblich erscheinen, und immer wieder brachen dünne Schneebretter von den Ästen der Bäume ab, die von dem eisigen Wind zerstäubt wurden. Hätte Katharina nicht die Sorge um ihren ungeborenen Sohn den Blick verdunkelt, hätte ihr die Naturschönheit der spektakulären Landschaft den Atem geraubt. So hingegen zuckten ihre bernsteinfarbenen Augen unstetig von Fenster zu Fenster, um sich schließlich in die rot glimmende Glut zu bohren, die wild tanzende Muster in die Düsternis im Inneren des Wagens zauberte.
    Erst das Knallen der Peitsche und der Befehl des Wagenführers rissen sie einige Zeit später aus ihren Gedanken, und als sie sich neugierig vorbeugte, um die Nase an die Scheibe zu drücken, erkannte sie voller Erleichterung die Brücke über den Fluss, die in den Anstieg zur Festung mündete. Im Hintergrund – halb verschluckt von dem allmählich niedersinkenden Nebel – reckten die drei Steinernen Jungfrauen ihre zerklüfteten Häupter in den grauen Himmel, und als Katharina sich der uralten Sage erinnerte, die sich um die drei steil aufragenden Felsnadeln rankte, huschte ein Schatten über ihre Züge. Vielleicht hatte die Herrin von Eselsburg, welche der Legende nach ihre drei ungehorsamen Zofen in Stein verwandelt hatte, recht gehabt mit ihrem Hass auf das männliche Geschlecht! Sie presste die Lippen aufeinander. Bitter von Hochmut und falsch verstandenem Stolz hatte sich die sagenhafte Herrin der Festung vor vielen Jahrzehnten angeblich den Dunklen Mächten verschrieben, als sich nach der Zurückweisung ungezählter Freier schließlich kein Jüngling mehr um ihre Hand bemüht hatte. Daraufhin hatte sie ein Verbot für alle Frauen des Dorfes ausgesprochen, nach dem keine von ihnen auch nur Blickkontakt mit einem Mann haben durfte. Als drei ihrer eigenen Zofen ihrem Befehl zuwidergehandelt und sich mit einigen Fischern am Ufer des Flusses getroffen hatten, hatte sie erzürnt und hassentflammt deren Herzen und Körper in Stein verwandelt, damit diese den übrigen Jungfrauen des Ortes stets als Warnung dienen sollten.
    Das Kreischen der Winde, mit welcher der Torwächter die Zugbrücke der bescheidenen Festung bediente, riss sie aus den Betrachtungen und ließ sie tief Luft holen. Der erste Teil der Reise war geschafft! Trotz der relativen Unwichtigkeit der Burg flatterte das Wappen des Geschlechts – ein Esel, auf dessen Rücken ein Turm thronte – stolz von den beiden Ecktürmen, deren Zinnen je ein Wachsoldat bemannte. Und auch die an der Fassade aufgezogenen Banner derer von Helfenstein und Württemberg verrieten, dass der Herr der Festung sich auf den bevorstehenden Besuch der Gräfin vorbereitet hatte. Schaukelnd wankte der Karren über den schmalen Graben und kam auf dem gefrorenen Lehmboden im Innenhof zum Stehen, wo augenblicklich ein Bediensteter den Schlag öffnete und sich tief vor Katharina verbeugte. Nachdem sie sich behutsam von ihrem gepolsterten Sitz erhoben hatte, tastete sie sich die drei Stufen an der Seite des Wagens hinab, bis sie durch die dünnen Sohlen ihrer geschnürten Schuhe die Kälte des strohbedeckten Bodens spürte. Dankbar ergriff sie die Hand des herbeigeeilten Burgherrn, der sie mit einem strahlenden Lächeln auf dem faltigen Gesicht begrüßte: »Welch eine Ehre«, säuselte er diensteifrig und dirigierte sie in Richtung Haupthaus, wo eine Schar Kinder den Gast mit weit aufgerissenen Augen bestaunte. »Betrachtet mein bescheidenes Heim als das Eure«, setzte er hinzu, als sie das Innere des zweistöckigen Gebäudes erreicht hatten, in dem es nach Kohl und fauligem Stroh stank. »Meine Tochter wird Euch zu Eurer Kammer geleiten«, bemerkte er mit einem stolzen Blick auf ein etwa fünfzehnjähriges Mädchen, das vor Katharina in einen tiefen Knicks sank. »Dort wartet bereits eine

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