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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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unbeträchtlichen Einfluss auf das Stadtgeschehen genommen hatten. Damit musste ein für alle Mal aufgeräumt werden! Am Donnerstag – dem letzten Tag vor dem Weihnachtsfest – wurde die endgültige Verteilung der Sitze festgelegt. Dann würde er sofort nach den Feiertagen, wenn er zusammen mit den anderen neu Gewählten ins Amt eingeführt wurde, damit beginnen, seinen Einfluss geschickt zu erweitern. Schon bald würde der Alderman kein Problem mehr für ihn, Franciscus oder die anderen bestechungswilligen Meister darstellen!
    Als ihn sein Weg in der Nähe der immer noch leicht rauchenden Ruinen des Judenhofes vorbeiführte, blähten sich seine Nasenflügel gierig, wie um den Gestank der verbrannten Leichen und verkohlten Besitztümer aufzusaugen. Schnaubend ließ er die Rechte, die einem Instinkt folgend zu seiner Geldkatze gezuckt war, wieder sinken und hielt eine Zeit lang  inne, um das Ergebnis seiner Hetzrede zu betrachten. Er hatte sich nicht einmal selbst die Hände schmutzig machen müssen, um diesen Stachel aus seinem Fleisch zu reißen!, dachte er mit einer Mischung aus Verachtung und Zufriedenheit, und als ein Dachziegel aus dem Skelett eines ehemals prachtvollen Gebäudes in den Schutt stürzte, wo er eine mächtige Staubwolke aufwirbelte, wandte er sich gleichgültig ab und setzte seinen Weg in das nördliche Stadtviertel fort.
    Eine heitere Melodie auf den Lippen, tauchte er in die engen Gassen ein, an deren Seiten aufgebahrte Tote auf den Totengräber warteten, dessen Trupp von Hilfskräften inzwischen zu einem halben Dutzend angeschwollen war. Vor einigen Häusern lagen die nackten, bereits halb verwesten Kadaver derjenigen, die allein und ohne die Anwesenheit ihrer Familien gestorben waren, und die – nachdem der Gestank die Nachbarn angelockt hatte – von den plündernden Händen der Menschen entehrt worden waren, mit denen sie einst täglich geplaudert oder zusammengearbeitet hatten. Mit gerümpfter Nase stelzte Conrad über den ausgemergelten Leichnam einer vollkommen unbekleideten Frau hinweg, deren Rippen bereits die pergamentdünne Haut ihres Brustkorbes durchstoßen hatten.
    Nur die Schwachen!, versuchte er die ihn immer häufiger plagende Ungewissheit zu verdrängen. Es traf nur die Schwachen und Unentschlossenen! Diejenigen, die ihr Schicksal lenkten und sich der Willkür Fortunas entgegenwarfen, waren sicher vor der heimtückischen Plage!
    Ohne es zu merken, hatte er die Herberge zu den Drei Kannen in der Nähe seines Heimes angesteuert, wo ihm drei angetrunkene Kannengießer entgegentraten, um ihm kameradschaftlich auf die Schulter zu klopfen.
    »Conrad«, lallte der älteste des Kleeblatts, von dessen unrasiertem Kinn ein Bach Rotwein in seinen Kragen troff. »Kommt und trinkt mit uns.« Ein kehliges Rülpsen unterbrach ihn, bevor er holperig hinzufügte: »Wir haben alle für Euch gestimmt. Ihr müsst einen Umtrunk ausgeben!«
    Trotz des sauren Atems des Mannes, der Conrad mit voller Wucht ins Gesicht schlug, fühlte er sich von dieser Aufforderung seltsam geehrt, da ihm manche seiner Zunftgenossen in der Vergangenheit eher kühl und reserviert begegnet waren. Zu gewaltig war der Unterschied zwischen den armen Kannen- und Eisengießern und ihm, als dass die Zunftzugehörigkeit die Grenzen zwischen ihnen hätte auslöschen können. Warum nicht?, fragte er sich, während er sich mit einem geschmeichelten Lächeln in den Anbiederungen der drei Männer sonnte. Ein Kelch konnte sicherlich nichts schaden. Willig folgte er nach einigem weiteren Drängen dem Anführer ins Innere der geräumigen Taverne, wo sich bei seinem Anblick ein wahrhaft infernalisches Gegröle erhob. Im Handumdrehen war er von einem Pulk Betrunkener umringt, die ihm einen Krug mit Schlehen gewürzten Weizenbieres in die Hand pressten, den er in einem Zug leerte. Angeheizt von der überschwänglichen Stimmung, ließ er sich auf eine der Bänke niederdrücken, einen halben Schilling aus der Tasche ziehen und erneut den Becher füllen, um einen Trinkspruch auszugeben.
    Als er sich schließlich mehr als drei Stunden und vier Becher später angeheitert aus den Klauen seiner Zunftgenossen befreite, stolperte er auf unsicheren Beinen vor die Tür und griff mit der Hand in einen Haufen angefrorenen Schnees, den er sich mit einem Prusten im Gesicht verteilte. Mit etwas klarerem Kopf wandte er sich zum Frauengraben, von wo aus er links in die kleine Straße einbog, an deren Ende eine dicke, schwarze Rauchsäule aus dem Kamin

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