Die Launen des Teufels
der Glockenhütte verkündete, dass seine Gesellen bereits ohne ihn mit dem Ansetzen der Schmelze begonnen hatten.
»Was soll’s«, murmelte er und schüttelte den Kopf, um den leichten Schwindel loszuwerden, der ihm die Sinne benebelte. Schließlich wurde man nicht jeden Tag in den Rat der Stadt gewählt! Vorsichtig tastete er sich über den rutschigen Boden zu der mit einer alten Tierhaut bespannten Tür der Werkstatt, stieß diese auf und blinzelte in die lediglich von dem leichten Glimmen der Esse erhellte Dunkelheit. Der schwere, ätzende Geruch des geschmolzenen Metalls ließ ihn beinahe schlagartig ernüchtern, und während er mit zusammengekniffenen Augen das Innere der Hütte nach seinen Männern absuchte, fuhr er sich mit der schwieligen Pranke über die Stirn.
Nachdem er die Tür geschlossen und sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatte, griff er nach einer der ledernen Schürzen, zog sie sich über den dunkelblonden Schopf und trat an den Schmelztiegel heran, in dem Göswin mit ruhigen, geübten Bewegungen dafür sorgte, dass sich keine Haut auf der flüssigen Bronze bildete. Nach einem kontrollierenden Blick auf das zischende Metall wandte er den Kopf nach links, wo soeben Bertram aus einer der Gruben kletterte, in denen der Kern einer neuen Glocke aushärtete. Das schwache Licht verhinderte, dass er sah, wie der Knabe bei seinem Anblick erbleichte, doch etwas an seiner Körperhaltung ließ Conrad die Stirn runzeln, den mit zwei Gusspfannen bewaffneten Anselm zur Seite schieben und auf den Knaben zutreten.
»Sieh nur an, wen haben wir denn da?«, höhnte Conrad und baute sich vor Bertram auf, der zitternd den Kopf senkte. Die Muskeln unter dem zerschlissenen Leibrock spannten sich, als er sich sichtlich bemühte, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten.
Sollte ihm das Flittchen entgegen aller Drohungen ihre lächerlichen Sorgen anvertraut haben?, fragte sich der Gießer, während ein hämisches Grinsen sein Gesicht verzerrte. »Wie war der Ausflug?« Seine Stimme triefte vor Hohn. »Hat die kleine Schlampe dich unter ihre Röcke gelassen?«
Mit einem tierischen Laut fuhr der Kopf des Jungen in die Höhe, und der Schlag, der Conrad am Kinn traf, ließ den Glockengießer nach hinten taumeln und erstaunt die Augen aufreißen. »Sie ist keine Schlampe!«, knurrte Bertram, in dessen Blick ungezügelte Mordlust funkelte. »Ihr habt sie wie eine Dirne verkauft! Verrottet in der Hölle!« Damit stürzte er sich auf den ihn um mehr als einen Kopf überragenden Gießer, um diesem die Faust in die Magengrube zu rammen, und holte erneut aus, als pfeifend die Luft aus Conrads Lungen entwich.
Der Stich, der sich vom Zwerchfell des Meisters bis in seinen Unterleib ausbreitete und ihm die Übelkeit in die Kehle schießen ließ, brachte diesen im Bruchteil eines Augenblickes zur Besinnung, sodass er dem folgenden Hieb des Knaben um Haaresbreite ausweichen konnte. Als dieser die Luft dicht neben seinem rechten Ohr durchschnitt, ballte auch Conrad die Pranke zur Faust und führte einen gewaltigen Schlag zur Schläfe seines Angreifers, der wie ein Sack Mehl zu Boden ging. Bevor der Knabe die Benommenheit abschütteln konnte, riss er ihn am Kragen seines Rockes in die Höhe, bog den dröhnenden Kopf zurück und schmetterte seine Stirn gegen die Nase des Jungen, die auf der Stelle mit einem durchdringenden Knacken brach. Während zwei fingerdicke Blutfontänen die Hand besudelten, mit der Conrad seinen Lehrling gepackt hielt, zog dieser trotz der Tatsache, dass er lediglich noch mit den Zehenspitzen den Lehmboden berührte, das Knie in die Höhe, um es dem Gießer in den Bauch zu treiben. Grunzend ließ Conrad seinen Gegner fahren, krümmte sich und hob gerade noch rechtzeitig den Blick der blutunterlaufenen Augen, um zu sehen, wie Bertram nach einem am Boden liegenden Hammer griff, um diesen über dem Kopf zu schwingen.
»Haltet ein! Beide!« Die Stimme des breitschultrigen Göswins drang wie aus dem Nebel an das Ohr des Glockengießers, der mit einem Brüllen Anselm abschüttelte, der ihn zurückzuhalten versuchte. Ohne nachzudenken hob er eine der Gusspfannen auf, holte aus und trieb sie dem von Göswin festgenagelten Bertram gegen die Brust, sodass dieser mit einem heiseren Laut in sich zusammensackte. Die Bewegungen des zur Seite hechtenden Göswin in seinem Rücken ließen Conrad lediglich kurz innehalten, bevor er erneut die Stange schwang, um sie auf die Schultern des am Boden zusammengekrümmten Knaben
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