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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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zweier Beginen ignorierend, trug soeben ein schwer gepanzerter Ritter eine hochschwangere Dame über die Schwelle und forderte lautstark nach einem Heiler.
    »Sie braucht sofort Hilfe!«, drängte er und legte sie auf einem der Betten ab, die noch vor wenigen Stunden von Kranken belegt gewesen waren, die inzwischen auf Bahren vor das Tor der Abtei geschafft worden waren. »Sie blutet!«
    Mit weit aufgerissenen Augen starrte Anabel die totenblasse Patientin an, deren prachtvolles Bliaud mehr wert war als der gesamte Hausstand ihres Vaters. Während der flache Atem ihre von einem enormen Bauch überragte Brust kaum hob und senkte, zuckten die feingliedrigen Hände neben dem Körper auf und ab, als versuchten sie, einen flüchtigen Besucher festzuhalten. Den haselnussfarbenen Mantel sowie die Röcke ihres Gewandes entstellte ein beängstigend großer Blutfleck, der sich mit jedem Atemzug, den die Schwangere tat, ausbreitete.
    »Zur Seite!«, befahl Guta, die aus einer der im hinteren Teil des Infirmariums gelegenen Kammern herbeigeeilt war, und kniete sich neben die Kranke. »Ihr könnt nicht hier bleiben«, wandte sie sich nach einer kurzen, oberflächlichen Untersuchung der Dame forsch an den Ritter, der sich breitbeinig hinter dem Kopfteil der Bettstatt aufgebaut hatte, um seine vormals sicherlich bildschöne Herrin zu beschützen.
    »Ich muss ihr Kleid zerschneiden«, setzte Guta ungeduldig hinzu und gab einer der Beginen mit einer Kopfbewegung zu verstehen, den Mann in den Hof zu führen. »Anabel«, sagte sie knapp, als ihr Blick auf das erstarrte Mädchen fiel. »Bring mir eine Schüssel Rosenwasser. Schnell!« Als Anabel mit dem Gewünschten zurückkehrte, hatte sie die Kranke bereits von dem störenden Gewand befreit, sodass der untere Teil ihres Bauches sowie ihre bereits weit geöffnete Scham sichtbar waren. »Haltet ihre Beine«, befahl die Meisterin zwei Schwestern, die ohne zu zögern die geschwollenen Knöchel der Dame umklammerten, die ein gequältes Stöhnen ausstieß, als Guta mit der Hand in sie eindrang. »Es liegt falsch!«, presste sie hervor, während ihre Finger in der Schwangeren verschwanden, die vor Schmerz aufheulte. »Anabel, einen Schwamm, Bilsenkraut und Mohn. Ich muss sie schneiden.« Damit griff sie nach der Tasche, die eine ihrer Helferinnen ihr reichte, zog ein breites Messer hervor und drückte die Beine der Adeligen noch weiter auseinander. »Wenn wir es nicht sofort holen, sterben sie beide.«
    Mit zitternden Händen folgte Anabel der Anweisung, das kleine Schwämmchen mit den beiden betäubenden Essenzen zu tränken und der brüllenden Kranken vor Mund und Nase zu halten, was bewirkte, dass sich ihre Schreie langsam aber sicher ein wenig abschwächten. Dankbar darum, das, was nun folgte, nicht vom Fußende des Bettes mit ansehen zu müssen, streichelte sie der zuckenden Frau die Stirn und versuchte, das Geräusch durchtrennten Knorpels zu ignorieren. Der ganze Körper der Schwangeren bebte, als Guta mit aller Kraft an dem Kind in ihrem Leib zerrte und zog, um es nach scheinbar endlosen Bemühungen schließlich blutverschmiert aus ihr zu befreien. Zwar war Anabel schon oft bei Entbindungen zugegen gewesen, doch ließ sie der Anblick der bläulichen Nabelschnur und des vielen Blutes nur mühsam die Übelkeit schlucken, die in ihr aufstieg. Mit einer geübten Bewegung kappte die Meisterin die Schnur und händigte das Kind einer anderen Begine aus, die es auf den Kopf stellte, um ihm einen Klaps auf das faltige Hinterteil zu versetzen. Zuerst schien es, als sei die Mühe der Meisterin vergebens gewesen, doch als nach einem zweiten, etwas kräftigeren Schlag ein protestierendes Plärren den Raum erfüllte, musste Anabel trotz allen Unbehagens lächeln. Da Guta bereits nach rohem Haar und Nadel gegriffen hatte, um die ohne Zweifel klaffende Wunde im Unterleib der frischgebackenen Mutter zu nähen, tauchte Anabel den Schwamm erneut in die betäubende Flüssigkeit, um ihr so viel Schmerz wie möglich zu ersparen.
    Eine Stunde, nachdem der Ritter die Dame in das Hospital getragen hatte, lag ihr in sauberes Leinen gewickelter Sohn in einer Krippe neben ihrem Bett, wo er süß und selig schlummerte. Da auch die Mutter inzwischen eingeschlafen war, hatte Guta dem Mann gestattet, seine Herrin zu sehen. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass es ihr den Umständen entsprechend gut ging, löste er ein Beutelchen vom Gürtel und drückte es der Begine in die Hand. »Sorgt dafür, dass sie so

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