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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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gesehen. Entschlossen löste ich mich von ihr, verließ das Bett und zog mich an, bemüht, keine für einen Gentleman ungebührliche Hast an den Tag zu legen. Nach einer Weile folgte Mouse meinem Beispiel. Angezogen standen wir uns dann gegenüber, nur das Bett zwischen uns, und sahen uns in die Augen.
    Ich spürte, ich sollte etwas sagen, vorzugsweise etwas gleichzeitig Kluges und Liebevolles und vielleicht sogar ein wenig Versöhnliches, aber alles, was mir einfiel, war
»Danke schön«.
    Sie sagte:
»Bitte schön.«
    Wir lachten beide.
    Dann ging sie.
    Also, lieber Chief Inspector, was soll ich jetzt tun? Wieder einmal benötige ich unbedingt Ihren klugen Rat. Ich weiß, wie sehr Sie meine libidinöse Natur, als solche erscheint sie Ihnen sicher, missbilligen. Wie erbärmlich muss ich klingen, wenn ich zu meiner Entschuldigung anführe, wie stark die Versuchung und wie schwach das Fleisch war! Jemand, der körperlich so attraktiv ist wie Sie selbst, musste endlose Gelegenheiten gehabt haben – muss sie noch immer haben –, um seinen fleischlichen Begierden nachzugeben, doch bin ich überzeugt, dass Ihr Sinn für Rechtschaffenheit und Ihre Willenstärke mächtig genug sind, um Sie vom Herumstrolchen abzuhalten. Doch genau deswegen muss ich, der Schwache, mich an Sie, den Starken, wenden, will ich diese Stärke erlangen.
    Dierick ist natürlich der Schlüssel. Ich hielt nach ihm Ausschau, um in Verhandlungen einzutreten, aber er war nirgends aufzufinden. Ich muss also weiter schwitzen, allerdings habe ich an meinen Plänen eine Änderung vorgenommen.
    Ich werde zu Ende packen und dann Linda mitteilen, dass ich nun doch nicht ihrer Einladung nach Straßburg folgen, sondern meine Recherchen in Zürich und Basel abschließen und dann nach Frankfurt und Göttingen fahren werde, bevor ich ins sonnige Kalifornien entschwinde.
    Bin ich nicht ein flotter Jetsetter! Ein Weltenbürger!
    Natürlich könnte es auch ohne die Bedrohung durch Dierick ganz schnell geschehen, dass ich keinerlei Anlass mehr habe, irgendwohin zu jetten außer nach Hause – dazu muss Mouse gegenüber Linda nur andeuten, was soeben zwischen uns vorgefallen war. Mein Anspruch, Sam Johnsons literarischer Nachlassverwalter zu sein, gründet einzig und allein auf ihrem guten Willen, der durch die Erinnerung an unser Neujahrfest gestärkt oder gar noch gesteigert werden kann. Die Vorstellung jedoch, dass ich nur etwas mehr als vierundzwanzig Stunden später ihrer Lieblingstochter dieselbe Gefälligkeit erwiesen habe, dürfte von ihr nicht besonders gut aufgenommen werden.
    Wieder einmal bitte ich Sie, mir Glück zu wünschen.
     
    Mein Gott, wie schnell das Schicksal seine Forderungen eintreibt! Wahrlich, niemand kann sich als glücklich bezeichnen, der sein Glück mit ins Grab nimmt. Mein Besuch in Fichtenburg, in vieler Hinsicht so erfolgreich, scheint nun ebenso übel zu enden, wie er begonnen hatte.
    Lassen Sie mich meine Gedanken ordnen.
    Wie oben erklärt, ging ich hinauf zur Burg.
    Auf meinem Weg dorthin begegnete mir Jacques, der zum Chalet zurückkehrte. Wir verabschiedeten uns, da er, der eine zweitägige Fahrt vor sich hatte, so schnell wie möglich aufbrechen wollte.
    In der Burg herrschte weniger Eile. Jeder schien sich nur widerstrebend von einer so erfolgreichen Hausparty trennen zu wollen.
    Linda schien wirklich enttäuscht zu sein, als ich ihr mitteilte, dass ich Straßburg diesmal überspringen werde, was jedoch durch die große Freude über meine Neuigkeiten aus Amerika ausgeglichen wurde. Mouse kam herein, als wir uns unterhielten, hörte sich anscheinend gleichgültig meine Neuigkeiten an, die ihre Mutter ihr erzählte, worüber ich äußerst zufrieden war. Die Dinge ändern sich. Vielleicht ist die Defloration im Leben eines Mädchens nicht mehr die große Sache, die sie einst gewesen war!
    Schließlich verabschiedete ich mich von Linda und versprach, in engem Kontakt zu bleiben. Ihrem Abschiedskuss fehlte zu meiner großen Erleichterung die emsige Zunge, stattdessen glich er wieder einem vollen Haken von Henry Cooper.
    Mouse schüttelte mir die Hand. Kein besonderer Händedruck, nichts im Tonfall ihrer Stimme, als sie sagte: »Auf Wiedersehen, Franny. Es freut mich, dass alles so gut läuft. Halten Sie die Ohren steif.«
    Dann zwinkerte sie mir zu!
    Und plötzlich kam ich mir wie eine alte Jungfer vor, die von einer sehr erfahrenen Stimme für ihren weiteren Weg ermutigt wurde.
    Vielleicht war es das, was mich dazu stimulierte,

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