Die Launen des Todes
der sie sich gezwungen sah, sich hinzusetzen und den Brief ein drittes Mal zu lesen –, Polizeibeamter.
Sie griff nach dem Telefon, um Peter anzurufen. Um ihm dann was zu erzählen? Überraschung, Überraschung … jemanden zu überraschen war allerdings nicht das Gleiche, wie jemandem zu helfen. Spielte es eine Rolle? Nährte sie, wenn sie es tat, seine Obsession nur aufs Neue, obwohl sie sie doch eigentlich aushungern sollte?
Sie ging in den Flur zurück und betrachtete erneut den Brief mit der Schweizer Briefmarke.
Scheiß drauf, soll Roote entscheiden. Wenn dieser Brief so harmlos war wie der letzte mit seinem Bericht über Weihnachten, warum dann den Kessel unter Dampf halten? Vielleicht war es sogar ein Abschiedsbrief …
Lieber Mr. Pascoe, für das neue Jahr habe ich mir vorgenommen, Ihnen nicht mehr zu schreiben. Es tut mir Leid wegen der Ihnen bereiteten Unannehmlichkeiten. Mit freundlichen Grüßen etc.
Sie riss ihn auf. Es hatte keinen Sinn, irgendwas verheimlichen zu wollen. Wenn eine Frau die Post ihres Mannes öffnete, dann scheiß auf den Wasserdampf! Soll er ruhig sehen, dass du neugierig warst, aber wenigstens machst du’s nicht hintenrum!
Als sie den Brief gelesen hatte, sagte sie: »O Scheiße!«
Wieder ein Toter.
Wieder ein Toter, der Roote zum Vorteil gereichte. Der Kerl hatte entweder wirklich eine Menge Glück, oder … Nein! Das wäre ja, als würde man kopfüber in Treibsand springen, um einen darin Versinkenden zu retten.
Aber sie sah bereits Peter vor sich, wie er auf die Nachricht von Frère Diericks Tod reagierte.
Wissen ist Macht. Sie hatte sich erneut dazu überreden lassen, mit Daphne Aldermann im Estotiland zum Shoppen zu gehen. Daphne, eine reuelose Shopaholic, hing der Theorie an, dass der erste Montag im Januar der günstigste Zeitpunkt für den nachweihnachtlichen Schlussverkauf sei. »In den ersten Tagen«, sagte sie, »sind da immer so viele, ein regelrechter Lynchmob, und am nächsten Morgen wachst du auf, und dich graust vor dir selbst, wenn du dich daran erinnerst, was du am Tag zuvor getan hast. Also warte, bis die Massen fort sind, die schaffen sowieso nur den üblichen Sonderangebotsmüll fort, und schlag zu, wenn sie die wahren Schnäppchen anbieten, um die kritischen Kunden anzulocken.«
Ellie hatte sich von ihr überreden lassen, worüber sie nun froh war. Estotiland lag ein gutes Stück des Wegs nach Sheffield, auf dessen anderer Seite Hope lag. Also, eine Stunde Shoppen mit Daphne, dann nach Süden, und am Abend würde sie mit ein wenig Glück Peter mit mehr als nur einem Mohair-Pullover in einem schreienden Muster, das sie so sehr liebte und das er so sehr verabscheute, überraschen können.
Der Besuch im Estotiland kam ihr sogar aus einem weiteren Grund sehr gelegen. In ein paar Wochen war Rosie zur Geburtstagsparty ihrer Freundin Suzie in der Junior Jumbo Burger Bar eingeladen. Ellie hatte versprochen, dabei zu helfen. Gleichzeitig war ihr Frühwarnsystem bei der Erwähnung von Burgern auf Alarmstufe rot gesprungen, und die heutige Fahrt dorthin würde ihr die Gelegenheit verschaffen, die Küche auf potenzielle Erregerherde für Salmonellen,
E. coli
und Rinderwahnsinn zu inspizieren.
Daphne stieß dann, als es so weit war, einen langen leidenden Seufzer aus, doch da sie bereits vor langer Zeit beschlossen hatte, Ellie niemals merken zu lassen, dass ihr vielleicht etwas peinlich sein könnte, stapfte sie mit ihr gebieterisch in die Küche, wo sie mit ausgesuchter Höflichkeit empfangen und eingeladen wurden, sich alles anzusehen, was sie ansehen wollten, und jede Frage zu stellen, die ihnen in den Sinn kam. Das Fleisch stamme ausnahmslos aus der hiesigen Gegend, wurde ihnen versichert, was durch Herkunftsbestätigungen untermauert wurde. Der Hygienestandard war vortrefflich, die Aufsicht über die jungen Angestellten war von militärischer Strenge.
»Sagte ich dir doch«, meinte Daphne, als sie gingen. »Estotiland ist das wiedergefundene Paradies. So, und jetzt pflücken wir uns ein paar Äpfel!«
Einige Stunden und viele Mohair-Pullover später erreichten sie das obere Verkaufsgeschoss, wo Daphne instinktiv zur Lingerie abdriftete. Ob nun Daphne oder ihr Ehemann Patrick sich von reiner Seide auf der Haut angemacht fühlte, vermochte Ellie nicht zu sagen, das Funkeln in den Augen ihrer Freundin aber war nicht zu übersehen. Abrupt blieb sie stehen und wunderte sich, ob dies ansteckend war, denn vor ihr schien alles zu zittern, als würde tief
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