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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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das herauszufinden, was, mein lieber Chief Inspector, Ihrem professionellen scharfen Verstand sofort aufgefallen sein dürfte: die Bedeutung von Mouses seltsamem Schrei, als ich in sie eindrang.
    Einhundertachtzig!
    Der triumphale Ausruf des Dartspielers, wenn sein dritter Pfeil das Dreifach-Zwanzig-Feld trifft.
    »Worüber grinst ihr beide so?«, fragte Linda, in allerdings nachsichtigem Ton.
    Also, von Mouse hatte ich nichts zu befürchten. Blieb nur Dierick, der, wie mir erleichtert einfiel, mit Jacques wahrscheinlich schon in Richtung Norden unterwegs sein sollte.
    Dann kam Jacques zur Tür herein und erkundigte sich ungeduldig, ob jemand Dierick gesehen habe.
    Sein Verschwinden sorgte zunächst für Irritation. Doch nachdem er nirgends zu finden war, bot er bald Anlass zu gravierender Sorge.
    Da wir befürchteten, er könnte ausgerutscht sein und sich verletzt haben, schwärmten wir im Fichtenwald aus, suchten nach Spuren und riefen seinen Namen. Wir versuchten uns daran zu erinnern, wann wir ihn das letzte Mal gesehen hatten, und kamen zu dem Schluss, dass, nachdem Jacques und ich ihm vergangenen Abend im Chalet eine gute Nacht gewünscht hatten, ihn niemand mehr zu Gesicht bekommen hatte. Außer mir natürlich, was ich aber kaum berichten konnte. Nach dem kurzen Zwischenspiel einer klaren Frostnacht an Silvester hatte sich das Wetter wieder verschlechtert, tief hängende Wolken und Nebelschwaden waren aufgezogen, die Temperatur war gestiegen und hatte den Schnee wieder weich und matschig werden lassen. Die Dunkelheit würde nachmittags noch früher hereinbrechen als sonst. Es war daher an der Zeit, beschloss Linda, unsere amateurhafte Suche abzubrechen und die Behörden zu informieren. Ich bin daher wieder hier im Chalet und wende mich an Sie, Mr. Pascoe, um Trost zu finden. Alle anderen sind in der Burg und warten auf die Ankunft der Polizei. Nur Jacques ist noch mit einigen einheimischen Waldarbeitern draußen und weigert sich, die Suche einzustellen.
    Von draußen ertönen nun Rufe, vielleicht haben sie ihn gefunden, bei Gott, ich hoffe es.
     
    Es ist wirklich entsetzlich. Ich ging nach draußen und bemerkte, dass die Unruhe vom Seeufer kam. Jacques stand bis zur Hüfte im Wasser, die Waldarbeiter hatten schwer damit zu kämpfen, ihn an Land zu zerren.
    Einer der Männer hatte anscheinend Spuren entdeckt, die aufs Eis hinausführten, und Jacques war, ohne einen Gedanken an die eigene Sicherheit zu verschwenden, sofort hinausgestürtzt. Das Eis, durch das Tauwetter geschwächt, brach sofort ein. Jacques aber, dem Himmel sei Dank, ist wohlauf. Wir brachten ihn ins Chalet und trockneten ihn. Eine halbe Stunde später erschien die Polizei mit professioneller Ausrüstung. Als sie sich an die Arbeit machten, hörte es auf zu schneien, die Wolken wurden lichter, sodass die letzten Strahlen der untergehenden Sonne eine unheilschwangere rötliche Patina auf die Oberfläche des Sees legten. Der
Blutensee
, ging es mir durch den Kopf. In diesem Moment wusste ich, dass wir mit dem Schlimmsten zu rechnen hatten. Ein oder zwei Minuten später wurde dies durch den Ruf des vorausgehenden Polizisten bestätigt.
    Nur ein wenig weiter von der Stelle entfernt, die Jacques erreicht hatte, nur wenige Zentimeter unter der Wasseroberfläche, ruhte der Leichnam von Frère Dierick.
    Was ihn dazu angetrieben hat, auf den See hinauszugehen, können wir nur mutmaßen. Vielleicht war er sich im dichten Schneetreiben noch nicht einmal bewusst gewesen, dass er übers Eis ging. Ich fühle mich voller Schuld; war es nicht der Anblick von Mouse und mir, die wir beide nackt auf dem Bett lagen, der ihn so abgelenkt hatte, dass er nicht mehr auf seine Schritte achtete? Aber ich tröste mich mit der Erinnerung an sein Lächeln und die Tatsache, dass er vorsichtig die Tür hinter sich geschlossen hatte; beides weist nicht unbedingt auf große geistige Verstörung hin.
    Wie auch immer, es ist eine weitere Tragödie. Tragödien scheinen mich zu verfolgen. Vielleicht aber verfolgen sie auch nur Thomas Lovell Beddoes. Denken Sie nur an Brownings seltsame abergläubische Angst, als er das Paket mit Beddoes’ Schriften öffnen sollte! Vielleicht hatte er Recht. Könnte es sein, dass der Tod, der Beddoes lange Jahre ein so vertrauter und geliebter Gefährte war, noch immer die Nähe jener aufsucht, die die Geheimnisse seines Freundes aufdecken wollen; dass seine Gesellschaft der Preis dafür ist, wenn man Erkenntnis sucht?
    Genug der Schrecken.

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