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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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vielleicht wieder zu dem stillen, schüchternen Wesen zurückgezogen, das sie im Grunde ist, doch falls zu Hause Zazie und Hildi warteten, würden sie danach lechzen, von ihren Fortschritten zu hören, und wären bereit, sie sofort wieder in den Kampf zu schicken. Natürlich schmeichle ich mir selbst, aber nachdem nun auch Linda die Bühne betreten hat, läuft es mir kalt den Rücken hinunter bei der Vorstellung, ich läge im Gästezimmer der Lupin in meinem Bett und sowohl Mutter als auch Tochter kämen auf Zehenspitzen angeschlichen, um mir ein »Hallo, Seemann!« entgegenzuschmettern.
    Warum ist mein Leben so kompliziert? Was würde ich darum geben, wenn ich etwas mehr wie Sie sein könnte, Mr. Pascoe, so gut organisiert, das Leben völlig unter Kontrolle. Doch, ach, dies wurde mir nicht in die Wiege geworfen von jedwelcher gütigen Patentante, die bei meiner Geburt zugegen gewesen sein mochte. Meine Mutter wusste, was sie wollte, und setzte alles in Bewegung, um es zu bekommen, daher muss ich mein chaotisches Gepräge wohl von meinem Vater geerbt haben, den ich nicht kannte. Nach allem, was mir meine Mutter von ihm erzählt hat, was nicht sonderlich viel war, musste er ein ziemlich wilder Kerl gewesen sein und jemand, mit dem das Schicksal es nicht gut gemeint hatte. Ich kann nur hoffen, dass für mich etwas von dem Glück abfällt, das er niemals hatte.
    Ich schreibe dies, während ich am Frühstückstisch meinen Kaffee beende. Frère Jacques und ich entdeckten, dass zu den vielen Dingen, die wir gemeinsam haben, ein innerer Wecker gehört, der uns früh aufstehen lässt, Ergebnis unserer gemeinsamen Erfahrung, das Leben in einer Zelle zu verbringen! Dierick steht sogar noch früher auf. Keine Spur von ihm an diesem Morgen, und, dies muss man ihm zugestehen, auch keine Spur davon, dass er nächtens das Sofa benutzt hatte. Als ich ihn gestern traf, verhielt er sich mir gegenüber so wie immer, argwöhnisch neutral! Ich vermute also, ich habe die Situation richtig eingeschätzt.
    Pönologen mögen vielleicht beachten, dass das Kloster Jacques in vielerlei Hinsicht wesentlich stärker diszipliniert hat als das Syke mich. Seine Tasche ist bereits gepackt und steht auf der Eingangsveranda, er ist soeben gegangen, um in der Burg seine Abschiedsrunde zu drehen. Während ich, ungepackt, noch hier weile, festgepflockt von dem unwiderstehlichen Drang, Sie mit den Ereignissen seit meinem letzten Eintrag vertraut zu machen, sowie dem abergläubischen Gefühl, dass ich Dwight Duerden dazu bringen kann anzurufen, wenn ich nur in der Nähe des Telefons bleibe. Schließlich ist es in Kalifornien noch nicht einmal Mitternacht, und ich hatte in meiner Nachricht doch verlauten lassen, dass ich heute von hier abreisen werde. Sie müssen mich für einen armseligen Tropf halten, wenn ich mich an solche Strohhalme klammere – o Gott, jetzt klingelt es!
     
    O Gott! In der Tat. Eine halbe Stunde ist vergangen, eintausendachthundert Sekunden, und in dieser Zeit hat das Glück, dem es egal ist, ob man sich darauf verlässt, mich emporgehoben und mir gezeigt, wie schnell es mich wieder fallen lassen kann!
    Es war wirklich Professor Duerden. Er sagte, er habe nach seiner Rückkehr an die St. Poll mit verschiedenen Personen gesprochen, die sich allesamt ausnehmend begeistert zeigten. Sie alle könnten es kaum erwarten, sich mit mir zu treffen und zu sehen, was ich ihnen anzubieten habe. Ich musste mich selbst daran erinnern, dass er aus Südkalifornien anrief, wo die meisten Menschen Englisch, viele Spanisch sprechen, aber jeder übertreibt. Doch als er mich dorthin als Gast der Universität einlud, die für alle Kosten aufkommen wolle, konnte ich nicht anders, ich ließ mich von seiner Begeisterung anstecken. Nein, ich will nicht zu englisch klingen. Ich sprühte geradezu vor Freude, als könnte ich jeden Moment platzen! Völlig idiotisch hörte ich mich fragen, welche Temperatur denn draußen herrsche. Um die Wahrheit zu sagen, ich werde des belebenden Frostes langsam überdrüssig. Man kann vieles ertragen, aber irgendwann reicht es eben. Zu meiner Enttäuschung sagte er, es hätte im Moment draußen dreißig Grad, doch dann lachte er und fuhr fort: »Aber es ist ja fast Mitternacht! Tagsüber, wenn die Sonne scheint, haben wir an die fünfundvierzig, mit ein wenig Glück sogar noch mehr.«
    Das, dachte ich, würde mir doch sehr gefallen. Dann aber fiel mir etwas ein, was meine Stimmung auf Tauchfahrt schickte. Ich bin, wie Sie sich

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