Die Launen des Todes
wie die Dinge nun mal lagen und in Anbetracht ihrer schwierigen Beziehung hätte er jede Andeutung von Vorbehalten nur als Miesmacherei abgetan.
Ihre Beziehung zu Andy Dalziel kam ohne solche Zweideutigkeiten aus. Wenn er einem einen Job antrug, dann führte man ihn aus, selbst wenn man ihn als komplette Zeitverschwendung ansah; man drückte sich nicht. Sie hatte jede Silbe der Wordman-Akten zweimal gelesen. Nach ihren Schlussfolgerungen gefragt, hatte sie tief durchgeatmet und dem Dicken erzählt: »Wäre Dee nicht erwischt worden, als er im Begriff war, Pomona tätlich anzugreifen, gäbe es noch nicht mal genügend Beweise gegen ihn, um ihn zu gemeinnütziger Arbeit verdonnern zu können, von einem Schuldspruch im Fall der Serienmorde ganz zu schweigen. Und wäre er nicht getötet worden, als er Widerstand gegen seine Verhaftung leistete – so haben wir es ja immerhin verkauft –, fallen mir mindestens ein halbes Dutzend Geschichten ein, die er hätte auftischen können und aufgrund derer die Staatsanwaltschaft nur äußerst ungern das Verfahren gegen ihn eröffnet hätte.«
»Hätten diese Schlafmützen Hitler in die Hände bekommen, hätten sie versucht, ihn wegen einer Ordnungswidrigkeit dranzukriegen«, sagte Dalziel ohne großen Nachdruck.
»Wenn also ein Journalist an dem Fall dran ist, muss er nur einige Lücken in die offizielle Version des tätlichen Angriffs auf Pomona reißen, und schon stehen ihm Tür und Tor sperrangelweit offen. Presse gegen die Polizei, zwanzig zu null.«
»Du spielst also Fußball?«
»Auf dem kleinen Feld in der Halle«, sagte sie.
»Weiß nicht, was aus dieser Welt noch werden soll. Okay, du hast mir nichts gesagt, was ich nicht eh schon weiß. Du könntest einen alten Mann sehr glücklich machen, wenn du auf einige lose Fäden hinweisen könntest, die wir Dee um den Hals schnüren könnten.«
»Der einzige lose Faden, den ich sehe, ist dieser Pyke-Strengler, der draußen am Stang Tarn erschossen und enthauptet aufgefunden worden ist. An einem der Angelhaken waren Blutspuren, von einem Menschen, Blutgruppe AB . Es stammte nicht von Pyke-Strengler, aber auch nicht von Dee, und es gehört auch nicht zu den beiden anderen Verdächtigen, Penn und Roote, die, um ehrlich zu sein, Sir, so verdächtig aussehen wie der Papst. Es wundert mich, wie die überhaupt ins Raster gekommen sind.«
»Wunschdenken«, grummelte Dalziel. »Das nimmt mit dem Alter zu. Also ein loser Faden, von dem du aber nur sagen kannst, dass er nicht zu Dee führt. Das ist alles? Nichts, mit dem du mir eine Freude machen könntest, nichts, von dem du sagen kannst, ›bitte, Sir, hier ist was, an dem es nichts zu deuteln gibt, weil Sie damit definitiv richtig liegen‹?«
»Doch, Sir, eines gibt es …«
»Spuck’s aus.«
»Meiner Meinung nach liegen Sie definitiv richtig, wenn Sie sich Sorgen machen, falls ein Journalist an der Sache dran ist.«
Er starrte sie an, bis sie ihre Unverfrorenheit zu bedauern begann, dann sagte er: »Nein, Mädel, darum mach ich mir keine Sorgen, denn ich hab diesen neunmalklugen Bullen auf den Fall angesetzt, und der wird ihn mir finden, bevor er auch nur ein Wort druckt.«
»Ja, Sir. Und dann …?«
»Dann bring ich ihn um«, sagte Dalziel. »Aber wenn ich von ihm erst erfahre, wenn ich meine Daily-Dreck aufschlage, dann muss ich mir einen anderen suchen, den ich umbringen kann.«
Daher joggte Novello an diesem Montagmorgen um acht Uhr zwanzig durch die Peg Lane.
Die einstigen eleganten viktorianischen Stadtvillen waren mittlerweile zu Apartmenthäusern mit kleineren Geschäften umgewandelt worden. Es gab keine Garagen (vermutlich hatten die eleganten Viktorianer ihre Broughams in nahe gelegenen Mietställen untergebracht), das Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Kirche war der Länge nach mit geparkten Autos gesäumt. Sie verlangsamte das Tempo, als sie das Church View passierte. Es standen dieselben Wagen wie immer davor, die Tür schien fest verschlossen zu sein. Tagsüber stand sie häufig offen, was auf ein laxes Sicherheitsbewusstsein schließen ließ. Doch ob offen oder geschlossen, spielte für Novello keine Rolle. Sie hatte sich das Schloss angesehen und sich in der Dienststelle aus dem großen Angebot im Pfadfinderschrank (d.h. allzeit bereit) einen passenden Schlüssel besorgt.
An der Peg-Lane-Front also nichts Neues. Mit dem Gefühl, der Pflicht Genüge getan zu haben, verschärfte sie das Tempo. Und hätte sie fast übersehen.
Am Ende
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