Die Launen des Todes
der Straße, die dort eine Art Schikane bildete, war ein alter weißer Mercedes geparkt. Zwei Personen saßen darin, ein Mann und eine Frau. Und den Mann erkannte sie als Charley Penn.
Sie waren in ihr Gespräch vertieft. Oder Ähnliches. Sie sahen noch nicht einmal auf, als sie an ihnen vorüberlief. Sie überquerte die Straße, rannte ein wenig zurück, bis sie die alte Mauer um St. Margaret’s erreichte, und kletterte hinüber.
Von dort aus hatte sie den Mercedes wunderbar im Blick. Sie wünschte sich, sie hätte eine Kamera dabei, bevor sie sich daran erinnerte, dass sie ja eine bei sich hatte. Still frohlockend kramte sie sie hervor. Hier waren Fleißsternchen von Dalziel zu ergattern, die sich ein strebsames Mädchen natürlich nicht entgehen ließ.
Die Frau stieg aus. Der Abschied schien alles andere als liebevoll zu verlaufen, im letzten Moment aber sagte Penn etwas, und sie tauschten einen spitzen Kuss aus. Dann fuhr er in Richtung Stadt davon, während sich die Frau in die andere Richtung aufmachte.
Novello hielt mit ihr Schritt, reckte sich hin und wieder, um einen Schnappschuss zu machen. Die Frau schien zu sehr mit sich beschäftigt zu sein, um es zu bemerken.
Dann erreichte sie mit zügigen Schritten die Eingangsstufen zum Church View, ging hinauf, drückte die Tür auf und verschwand im Gebäude.
Novello hechtete mit der explosiven Geschwindigkeit über die Mauer, mit der sie zu ihren Schulzeiten Sprint-Champion geworden war. Sie hatte den Schlüssel griffbereit, brauchte ihn aber nicht, da die Tür nicht richtig ins Schloss gefallen war. Auf der Treppe über sich hörte sie die Schritte der Frau.
Erst als sie sich bereits Ryes Treppenabsatz näherte, kam ihr die Frage, was sie nun tun sollte. Journalisten, besonders investigative Journalisten, gehörten nicht zu den Menschen, bei denen es ratsam schien, sie ohne guten Grund zu verhaften. Dalziel hatte in solchen Situationen zweifellos viele erprobte und bewährte Techniken parat. Wie schwere Körperverletzung. Pascoes diplomatisches Geschick hätte hier vermutlich ebenso seine Berechtigung. Und Wield würde nur eine Weile lang vor sich hin starren und dann »Buh!« sagen, um Ergebnisse zu erzielen.
Aber wie konnte eine junge ehrgeizige Polizistin mit dieser Situation fertig werden, ohne sich eine schlechte Presse einzuhandeln, die den Chief Constable gegen sie aufbringen würde?
Und mit ein wenig Abstand zu diesen doch irgendwie egoistischen Gedanken folgte die Frage, was zum Teufel diese Frau eigentlich vorhatte.
Sie erreichte Ryes Stockwerk. Niemand war zu sehen. Scheiße! Hatte sie genügend Zeit gehabt, um bei Rye zu klingeln und sie zu überreden, sie in die Wohnung zu lassen? Novello konnte es sich nicht vorstellen. Vielleicht hatte Rye zufällig die Tür geöffnet, als die Frau ankam, und war von ihr in die Wohnung gedrängt worden. Doch Verhalten wie dieses, noch dazu von einer fremden Person, würde sicherlich Protest auslösen. Sie drückte das Ohr gegen die Tür und hörte nichts. Was jetzt? Klingeln und nachprüfen, ob drinnen alles in Ordnung war? Oder die Verfolgung auf das nächste Stockwerk ausdehnen?
»Kann ich Ihnen helfen?«, ertönte eine Stimme.
Erschreckt drehte sie sich um. Aus der nächsten Tür rechts spähte eine Frau mit leuchtenden Augen, verschlagenem Gesicht und undefinierbaren Alters zu ihr heraus.
Das ließ sie eine Entscheidung treffen.
»Nein danke. Besuche nur Ms. Pomona«, sagte Novello und drückte auf die Klingel.
Eine lange Minute verstrich, bevor die Tür geöffnet wurde.
Rye stand vor ihr, lediglich in eine Baumwolldecke gehüllt. Sie sah fürchterlich aus. Entweder, dachte Novello, während sie ihren Expertenblick über die dunklen Augenringe, die blassen Wangen, eingesackten Schultern und stumpfen Haare schweifen ließ, hatte Rye eine noch wildere Fete hinter sich als jene, an die sie sich selbst nicht mehr erinnern konnte. Oder sie war krank.
»Hey, tut mir Leid, hab ich Sie aus dem Bett geholt?«
»Nein, ich war schon auf.«
»Kann ich reinkommen?«
Rye sah aus, als hätte sie am liebsten abgelehnt, dann bemerkte sie die noch immer lauernde Nachbarin und sagte: »Guten Morgen, Mrs. Gilpin. Ja, kommen Sie rein.«
Falls Rye die vermeintliche Journalistin nicht in ihrem Schlafzimmer versteckt hatte, dann deutete alles darauf hin, dass sie allein war.
»Also, was wollen Sie … Hat ist doch nichts geschehen, oder?«
Zum ersten Mal kam so etwas wie ein Lebensfunke in die matten
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