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Die Lava

Die Lava

Titel: Die Lava Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Magin
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gleiten.
    Libellen flirrten über das Wasser, blieben in der Luft über den Riedflächen stehen, schwirrten davon.
    Dann sank Hutter unter die Wasseroberfläche. Das Licht huschte in dünnen, tänzelnden Linien über den Kies ein paar Fuß unter ihm. Die bewegten Lichtstreifen erinnerten an etwas Organisches, der See schien lebendig.
    Hutter mochte es nicht, zu viel Wasser unter sich zu haben. Er schob sich mit Tritten der Beine an die Stelle heran, an der Neal das Kreuz auf der Karte eingetragen hatte. Lichtfäden hingen von der Seeoberfläche herab, bildeten feine, transparente Vorhänge, die flirrten und flatterten wie das Polarlicht des Nordens.
    Im Gegensatz zu der torfigen Brühe, die die meisten Lochs seiner Heimat füllte, war das Wasser des Laacher Sees erstaunlich klar. Er hatte nicht erwartet, dass das Wasser so transparent sein würde. Sicher, der Winter war erst vor kurzem zu Ende gegangen, aber es war schon außergewöhnlich warm, und es verblüffte ihn, dass hier, im Gegensatz zu der Umgebung des Landungsstegs, so wenige Algen die Sicht trübten.
    Umso besser! Der See war als Raubfischgewässer berühmt. Hutter konnte dem Angeln nichts abgewinnen. Welch ein dumpfer, brutaler Sport! Hecht, Felchen und Barsch wurden in diesem Gewässer gefangen – doch zurzeit war auch das Angeln untersagt. Hutter sah keine Fische, nur klares Wasser; er war schon zu weit entfernt von der Uferzone, wo das Schilf wuchs.
    Dort, irgendwo hinter ihm, im Flachwasser zwischen den Binsen, hatte das Wrack nach seinem Absturz ein paar Jahre lang gelegen, dann aber war es weiter in den See hineingerutscht, und nun war es wie vom Erdboden verschluckt. Das Erdbeben in der vorletzten Nacht hatte die Situation noch verschlimmert. Nun mochte das Flugzeug in mehrere Teile zerbrochen sein. Vermutlich hatten die Erdstöße die einzelnen Trümmer auch an ganz unterschiedliche Stellen geschoben.
    Wichtig war das Vorderteil, das Teil unter der Kanzel, das Teil mit der Ladeklappe.
    Wo immer das Wrack ursprünglich auch gelegen haben mochte, die alten Zeitzeugen von damals waren jetzt keine große Hilfe mehr. Selbst eine Computersimulation hatte zu so unterschiedlichen Ergebnissen geführt, dass das Team nicht wusste, wo es anfangen sollte zu suchen.
    Der Boden unter ihm, so weit er ihn erkannte, war plan und mit Sand bedeckt. So tief unten wuchsen keine Wasserpflanzen mehr. Zwischendurch lagen große Felsbrocken und vereinzelte Kieselsteine. Manches wirkte rissig.
    Hutter tauchte an einem Hangrutsch vorbei: Eine Schicht lehmartiger Boden war rund einen halben Meter nach unten geglitten und gab den Blick auf eine Schicht aus Sand und Geröll frei, mit bunten Kieselsteinen wie Rosinen in einem Kuchen. Die Rutschung konnte noch nicht sehr alt sein – die Abbruchkante wies scharfe Ränder auf. Irgendetwas war hier geschehen – vielleicht hatte sich dieses Hangstück infolge eines der beiden größeren Beben der letzten Tage gelöst und war dann heruntergepoltert.
    Bläschen sickerten aus den hier freiliegenden tieferen Bodenschichten. Eine kleine Kugel aus Gas nach der anderen trat aus, die wie dünne Schnüre zur Oberfläche hochstiegen.
    Die Narbe im Schlamm interessierte ihn jetzt nicht. Joewunderte sich, dass er sich plötzlich warm fühlte. Seltsam. Oder täuschte er sich?
    Nein, es stimmte: Obwohl der Taucheranzug ihn schützte, hatte er gespürt, dass das Seewasser kühl war – nun spülte es warm um ihn herum. Angenehm warm in einer Tiefe von über sechs Metern. Mit einem Mal wurde es richtig warm, fast schon heiß, ein mächtiger Druck stemmte ihn nach oben.
    So plötzlich und unvermittelt, wie das Wärmegefühl begonnen hatte, war es auch schon wieder vorbei. Es fühlte sich an, als wäre Hutter durch eine offene Tür in einen anderen Raum getaucht. Er kehrte um, schwamm eilig zu der Stelle zurück, und erneut hüllte ihn eine angenehme Wärme ein. Er entfernte sich aus dem Bereich, und das Wasser wirkte wieder frisch und kühl. Ich sollte unbedingt klären, dachte er bei sich, was es mit diesem seltsamen Phänomen auf sich hat. Aber er war ja nicht gekommen, um irgendwelche Temperaturrätsel in dem See zu lösen.
    War das eine Bewegung? Joe Hutter blickte um sich. Vielleicht ein großer Hecht? Hielten die sich überhaupt so weit vom Schilfgürtel entfernt im freien Wasser auf?
    Da war es wieder! Keine eigentliche Bewegung, eher die Ahnung einer Bewegung. Keine feste Form, mehr ein Vorbeigleiten. Zu weit von ihm entfernt, als dass er

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