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Die Lava

Die Lava

Titel: Die Lava Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Magin
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mehr als eine vage Erscheinung wahrnahm. Auf jeden Fall aber größer als ein Hecht. Oder sollte es hier mannsgroße Hechte geben?
    Ein anderer Taucher? Wohl kaum. Seit März 2007 war das Tauchen im See ohne Sondergenehmigung strengstens untersagt, und er würde es wissen, wenn jemand eine solche Sondergenehmigung hätte.
    Hutter kehrte in Richtung Ufer zurück. Die Sichtweite betrug nach wie vor rund vier bis fünf Meter. Allmählich kam er in den Flachwasserbereich, Pflanzen überwuchertenden Grund, ein kleiner Fisch stob aus den Pflanzen und hinterließ eine sanft gekräuselte braune Wolke. Hier bestand der Boden also aus Schlamm. Vielleicht war der auch so tief, dass er ein ganzes großes Flugzeug verschlucken konnte.
    Joe wendete und schob sich mit starken Flossenschlägen wieder in Richtung Seemitte, tauchte dann tiefer. So klar das Wasser oben gewirkt hatte – kaum war er auf etwa fünfzehn Meter Tiefe, umhüllte ihn die schwärzeste Nacht. Er konnte fast die eigenen Hände nicht sehen. Langsam stieg er höher. Wo der Grund tiefer als zwanzig Meter lag, durfte er bei diesen Sichtverhältnissen nicht auf Erfolg hoffen. Hier mussten technische Geräte eingesetzt werden: Echolot und Side-Scan-Sonar.
    Wieder eine Bewegung im Augenwinkel.
    Er drehte den Kopf leicht, und nun konnte er, wenn auch nur recht undeutlich, tatsächlich einen zweiten Taucher erkennen.
    Hutter ließ sich sanft in eine Tiefe sinken, von der er annahm, dass die Sichtverhältnisse ihn verschlucken würden. Er konnte allerdings nach oben blickend gegen das Licht gut verfolgen, was der zweite Taucher tat. Hutter fühlte sich unwohl, ausgeliefert.
    Der Mann schien ebenfalls etwas zu suchen, er drehte kleine Kreise. Hutter griff nach seinem Tauchermesser aus Edelstahl. Es war stark genug, eventuell Teile aus dem entdeckten Wrack zu schneiden.
    Verdammt!, dachte Hutter, der andere Taucher darf mich nicht sehen. Wenn er mit jemandem plaudert, fängt die Presse an zu recherchieren.
    Aber er selbst musste den anderen Taucher erkennen, verfolgen und identifizieren. Er musste in Erfahrung bringen, wer das war und was er hier trieb. War er nur ein Abenteurer, der das Tauchverbot ignorierte – oder steckte mehr dahinter?
    Von seinem Versteck in der Tiefe aus beobachtete Hutter jede Bewegung des Eindringlings. Der fremde Mann schwamm sehr ruhig und konzentriert in spiralförmigen Kreisen, die er mal enger, mal weiter zog.
    Es waren die Bewegungen von jemandem, der ungefähr weiß, wo sein Ziel liegt, der aber die genauen Koordinaten noch nicht kennt.
    Er sucht planmäßig, überlegte Hutter. Gebe Gott, dass er nicht das Gleiche sucht wie ich. Gebe Gott, dass er mich nicht sieht. Das Zeug ist auf dem Schwarzmarkt vermutlich Unsummen wert.
    Schwimm weiter deine Kreise dort oben, dachte Hutter, schwimm und störe die meinen nicht. Entferne dich, zieh weg, entlarve dich, damit ich weiß, wer du bist, und dann schwimm friedlich weg.
    Doch der fremde Taucher kam langsam näher.
    Franziska stellte ihren Wagen wie immer auf dem großen Parkplatz am See ab und sah zu dem mächtigen Kloster hoch. Die Kirche verschwand fast völlig hinter dem hastig hochgezogenen Gerüst, auf dem die Experten standen, die das Gebäude begutachteten und die Stärke der Risse vermaßen, die bei dem Erdbeben entstanden waren.
    Achthundertfünfzig Jahre hatten die wuchtigen Wände in weißem Tuff-, Kalk- und Sandstein der Zeit getrotzt, nun war durch das jüngste Erdbeben das Mauerwerk rissig, der nördliche Turm des Westwerks sogar als baufällig eingestuft worden. Das Gerüst, ein hilfloser Versuch, den Turm noch zu retten, verstellte den Blick auf das gewaltige Bauwerk.
    Sie stieg aus, öffnete die Beifahrertür, und Clara sprang direkt vom Kindersitz auf den Parkplatz.
    »Pass auf, Autos!«
    »Ja, Mama, ja doch!«
    Franziska Jansen ging vom Parkplatz zum See, dann durchdie Wiesen immer eng am Wasser entlang. Es war ein warmer Tag, und entsprechend viele Fußgänger drängten sich auf dem schmalen asphaltierten Pfad. Sie sah auf die Uhr: halb zwölf. Noch war es einigermaßen mild. Später, gegen Nachmittag, wenn die Hitze kam, würde es hier auch anders aussehen.
    Sie kam zum Waldrand. Allmählich traf sie immer weniger Touristen – hier war man schon mehr als einen Kilometer vom Parkplatz entfernt, für die meisten schon zu viel, um die Strecke zu Fuß zu gehen.
    Es roch nach warmer, feuchter Luft, nach Holz und Harz, nach den letzten Blüten des Frühlings. Franziska nahm nicht

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