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Die Lava

Die Lava

Titel: Die Lava Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Magin
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gelesen.
    »Und – haben Sie nachgeforscht?«, wollte MacGinnis wissen.
    »Natürlich – aber dort ist nichts mehr.«
    »Man kann doch ein Flugzeug nicht einfach verschwinden lassen!«
    »Es muss allmählich tiefer in den See gerutscht sein, und jetzt, nach dem Erdbeben, kann es überall dort unten liegen.«
    MacGinnis wischte sich wieder den Schweiß aus dem Gesicht. Selbst hierhin, dachte er, hinter diesen dicken Klostermauern, in einem Zimmer mit fünf Ventilatoren, dringt diese brütende Hitze! Und es ist erst Mai!
    »Wollen Sie mir ernsthaft versichern, dass etwas, das ganze 100 Fuß breit und 70 Fuß lang ist, in diesem Tümpel einfach so verschwinden kann?«
    Neal überragte auch MacGinnis. Also beugte er sich hinunter und sagte bestimmt: »Aber so ist es.«
    Hutter sah um sich. Alle waren beschäftigt. Der Dienst arbeitete gern in solch kleinen Teams. Die Geheimhaltung fiel leichter, die Kommandos hinterließen weniger Spuren. Keine Logistik, die auffallen könnte – zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem der erste Teil ihrer Mission erfüllt war, die Lokalisierung des Wracks. Dann würden sie an die Öffentlichkeit gehen und sich als englische Flugzeugfreaks ausgeben.
    Plötzlich fiel die Kladde aus Hutters Händen und schlug auf dem Boden auf. Die Gläser auf dem Tisch klirrten. Die Karte des Sees schaukelte an der Wand. Die Bücher und Aktenordner schwebten ein paar Zentimeter über den Regalbrettern, das Regal selbst tanzte von Seite zu Seite. Dann stürzten die Bücher und Aktenordner auf die Unterlage zurück.
    Jemand schrie erschrocken auf. Für Joe Hutter war es bereits das zweite Erdbeben in einer Woche – und erst das zweite Erdbeben in seinem Leben. Es fiel nicht leicht, die Ruhe zu bewahren, wenn selbst die Erde nicht still hielt. Neal sah von oben herab zu Joe. Sein Blick verriet, dass auch er bei den heftigen Erdstößen Angst gespürt hatte.
    »Keine Furcht, Jungs«, verkündete MacGinnis jovial, »das war nur ein neues, kleines Erdbeben. Weiter mit der Arbeit! Wir werden gebraucht.«
    MacGinnis hatte gut reden – wer wusste schon, welche Erdstöße er in Afghanistan oder dem Irak oder sonst einem verlorenen Winkel der Erde schon erlebt hatte?
    Der Chef stand von seinem Schreibtisch auf und lief eine Runde durch den Raum. Er klatschte in die Hände. »Los,meine Herren. Sie wissen, es hängt das Leben von Millionen von Menschen von unserer Arbeit ab.«
    Hutter ging durch den Raum zur Tür und blieb dort stehen. Er betrachtete die Markierungen eventuell lohnender Echolotfunde, die Neal auf die Karte eingetragen hatte. Sie hing neben dem Regal mit Neals Wasserproben an der Wand. Er deutete, als wolle er sich versichern, mit dem Finger auf eines der minutiös eingezeichneten Kreuzchen, nickte kurz und verließ den Raum.
    Joe Hutter liebte präzises Arbeiten. Das stand nicht im Gegensatz zu der Punkmusik, die er hörte, oder zu seiner Verehrung der Natur mit all ihrer anarchischen Vielfalt, ihrem Wachstum, der Maßlosigkeit ihrer Geschöpfe. Seine Aufgabe bestand darin, die gefährlichen, bedrohlichen Güter, die der Mensch, besonders das Militär, bei seiner Arbeit zurückgelassen hatte, aufzuspüren und zu vernichten. Man durfte sich keine Fehler erlauben. Fehler waren tödlich.
    Diese Präzision – er machte sich da nichts vor – stellte auch einen Versuch dar, wieder ein Grundmaß an Ordnung und Kontrolle in sein Leben zu bringen. Die letzten beiden Jahre waren chaotisch gewesen. Jetzt sollte alles in geordneteren Bahnen verlaufen. Konzentration auf die Arbeit half auf jeden Fall.
    Vor allem durfte er jetzt nicht gesehen werden. Schon ein deutscher Polizist, der ihm neugierige Fragen stellte oder ihn festnehmen wollte, bedrohte die Geheimhaltung. Trotzdem: Ein Taucher im Anzug, der in den See stapft, ist leider nicht unsichtbar. Und das Tauchen im See war illegal, seit Jahren schon strengstens verboten.
    Hutter löste das Problem, indem er seine Ausrüstung bis zur Uferzone schleppte, die direkt an den Wald grenzte. Dort duckte er sich in einer der zahlreichen Bodenfurchen und zog sich um, um dann möglichst schnell zum Ufer zustapfen. Er legte eine Decke auf seine Sachen und breitete Laub darüber aus.
    Er blickte mehrmals um sich und erreichte den See nach weniger als einer Minute. Hutter verrieb einen Tropfen Shampoo auf der Innenfläche seiner Taucherbrille. Das half gegen das Beschlagen. Er zog die Flossen an, dann ließ er sich von der Flachwasserzone ins tiefere Wasser

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