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Die Lava

Die Lava

Titel: Die Lava Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Magin
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Kilt«, wollte er erklären, aber Clara musste über den eigenen Witz so lachen, dass seine Antwort unterging.
    »Bist du sehr geizig?«
    »Nun …«
    »Warum bist du denn da?«, wollte Clara nun wissen und zeigte mit dem Finger direkt auf Hutter. Sie grinste breit über ihr ganzes Gesicht.
    »Ich will deine Mutter über die Vulkane befragen. Sie kennt sich damit gut aus«, antwortete Hutter. »Sie ist sogar berühmt – weißt du das nicht? Deine Mutter war sogar im Fernsehen.«
    »Nein!«, quietschte Clara ganz laut und langgezogen und hüpfte dabei auf und ab. »Warum bist du hier? Nicht bei Mami, sondern bei uns in Deutschland? Schottland ist doch ganz, ganz weit weg.«
    »Du kleiner Naseweis!«, entfuhr es Hutter.
    »Guck mal«, krähte Clara und deutete auf einen Riss in der Wand, der sich vom Fußboden bis zur Decke zog und sich dort fein verästelte, »der Spalt ist vom seißigen Schock gestern!« Sie hielt sich die Hand vor den Mund und kicherte.
    Hutter richtete einen fragenden Blick auf Franziska.
    »Sie meint den seismischen Schock, den Erdstoß. Es hat uns ziemlich getroffen.« Sie sah zur Decke. »Ich hoffe, die hält noch ein bisschen.«
    Clara stand noch immer vor Joe Hutter und schaute ihn unverblümt an.
    »Und nun, kleine Frau«, Franziska gab ihr einen leichten Schubs in Richtung Kinderzimmer, »zurück in dein Reich.« Es verblüffte sie, wie leicht Hutter vom Unterhalter zum fragenden Geschäftsmann wechselte und dann zum interessierten Gesprächspartner ihrer Tochter.
    Die Frau war Hutter sympathisch – einen Tick zu sympathisch, denn er hatte einen Auftrag zu erfüllen: »Man soll ja einen ertrunkenen Taucher im See gefunden haben«, sagte er wie beiläufig. Im gleichen Augenblick schon bedauerte er seine Frage. Immer dieses Misstrauen – eine Berufskrankheit.
    »Ich habe den Mann gefunden!«
    »Ach, kannten Sie ihn?«
    »Nein, keine Ahnung, wer das war. Im Krankenhaus wussten sie es auch noch nicht.«
    »Auf jeden Fall ein armer Kerl …«
    »Ja, sicher«, meinte Franziska nachdenklich. »Aber es weiß ja auch jeder, dass es zu gefährlich ist, im Laacher See zu tauchen.«

4
    Joe schlug wütend gegen den Schreibtisch, weil jemand seine Schublade durchwühlt hatte.
    »Das geht absolut nicht!«
    »Mensch, Joe, reg dich doch nicht so auf«, meinte Andrew Neal, »ich habe doch nur nach dem Taschenrechner gesucht.«
    »Du hättest doch fragen können.« Hutter war sichtlich erregt.
    »Du warst aber nicht da!« Neal verteidigte sich, obwohl er nicht wusste, warum eigentlich. Hutter schien manchmal unberechenbar.
    »Hast du ein Foto von deiner Liebsten darin?«, flachste der sonst so stille Nordengländer, der scheinbar ohne Unterbrechungen Computersimulationen durchführte. Simulationen des abstürzenden Bombers, des Gleitwegs des Flugzeugs auf dem Seegrund bei Erdbeben verschiedener Stärke und von Vulkanausbrüchen. Eben ließ er einmal mehr Zahlenreihen über den Bildschirm flimmern, was immer die auch bedeuteten. Normalerweise schweigsam, fast schüchtern, profitierte er von der Aufregung, um selbst ein wenig im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen.
    Niemand wusste genau, warum er überhaupt im Team war. Er selbst sprach kaum. Er erledigte die Computersachen, und so, wie er sich verhielt, war er wohl auch der beste Mann dafür. Meistens saß er hinter seinem Monitor verkrochen, aufgeregte rote Flecken huschten über sein Gesicht wie ein Goldfisch im Glas. Der Nordengländer glich einemkleinen Jungen, der in sein Spielzeug, den Computer, ganz vernarrt und in sein Spiel versunken war.
    Joe war sich sicher, dass keiner der anderen begriff, warum er sich so aufregte. Man konnte es auch übertreiben mit der Privatsphäre, dachten sie vermutlich.
    Gespräche über den Sinn und Zweck ihrer Tätigkeit waren im Team tabu. MacGinnis liebte Räderwerke, die liefen wie geschmiert, und es konnte nur Sand ins Getriebe geraten, wenn ein idealistischer Mitarbeiter auf einen traf, der das alles nur aus Karrieregründen tat, oder auf einen, den bloß die Abenteuerlust lockte.
    Seinen Idealismus hatte eine Tat seines Vaters ausgelöst, vor vielen Jahren, als Joe noch ein Kind war. Ihm war längst – zumindest seit einiger Zeit schon – bewusst, dass sein Vater ja nur getan hatte, was alle taten, versteckt, denn es war verboten. Joe war damals keine acht Jahre alt gewesen, in einem Alter, in dem man eher fühlt als denkt, in einem Alter, in dem der Vater noch ein kleiner Gott ist, der alles kann und alles

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