Die Lava
geschleudert oder Oberitalien erreichen. Wenn seine Aschemassen oder ein Lavastrom – wie beim letzten großen Ausbruch – den Rhein aufstauen würden, stünde der ganze Raum von Koblenz über Mainz bis Frankfurt unter Wasser. Ein gewaltiger See, der die Reste dieser Städte unter Wasser setzt, nicht nur mehrere Großstädte, sondern Hunderte von Dörfern und Gemeinden würden darin versinken. Und denken Sie an die ganzen Atomkraftwerke entlang des Rheins, und stellen Sie sich vor, wie die Erde bei so einer Mega-Eruption bebt – das überschreitet jede Sicherheitsnorm, der diese Meiler entsprechen müssen.«
Hutter nickte. Als wären Atomkraftwerke nicht ohnehin schon gefährlich genug.
»Autobahnen und Eisenbahnlinien – die gesamte Infrastruktur Deutschlands wäre gefährdet«, fügte Franziska Jansen noch an. »Heute könnte man natürlich den Damm sprengen, bevor sich so ein riesiger See anstaut, und das Wasser möglichst kontrolliert ablassen, bevor der Sturzstrom ganz Köln und die Kölner Bucht überflutet. Aber selbst das würdesehr wahrscheinlich noch für ein ziemlich katastrophales Hochwasser reichen.«
»Wie wahrscheinlich ist dieses Szenario?« Joe rutschte nervös auf dem Stuhl hin und her.
»Die erkaltete Magmakammer befindet sich dicht unter der Oberfläche. Ich habe gewisse Belege dafür gefunden, dass sich diese Kammer wieder aufheizt – und das sind untrügliche Anzeichen für einen nahen Ausbruch des Vulkans.«
»Wann könnte das passieren?«
Franziska überlegte. »In ein paar hundert, höchstens tausend Jahren. Nicht morgen. Oder … na ja, wer weiß das schon? Es ist alles möglich, wir müssen das alles weiter überwachen.« Die Kritik ihres Chefs verleitete sie zur Vorsicht.
»Gibt es eigentlich Berichte, dass der Laacher Vulkan in jüngster Zeit aktiv gewesen ist?« Joe Hutter blickte Franziska an, er hoffte auf Entwarnung. »Sagen wir einmal, in den letzten zweihundert Jahren?«
»Nein, die gibt es nicht«, bestätigte Franziska. »Sicherlich nichts, was mit der großen Eruption vor 13 000 Jahren vergleichbar wäre. Aber man weiß es nicht genau. Es gibt zumindest einen Bericht, den der berühmte amerikanische Forscher Charles Fort gemeldet hat, eine kuriose Notiz über ein Erdbeben im Raum Koblenz im März 1841. Damals sollen blaue Meteoriten über den Vulkanbergen von Brohl beobachtet worden sein.« Sie zögerte – das erschien ihr dann doch zu spekulativ, selbst wenn dieser Bericht aus einer alten wissenschaftlichen Zeitung sie sehr faszinierte. »Aber das war wohl kaum ein echter Ausbruch.«
Clara war unbemerkt hinzugekommen. »Wer ist der Mann, Mami?«, fragte sie schüchtern.
Franziska legte die rechte Hand flach auf die Tischplatte, hob den Zeige- und den Mittelfinger leicht an und klopfte jeweils zweimal mit den Nägeln auf das Holz.
»Ist alles in Ordnung?«, erkundigte sich Hutter.
»Ja, ja«, meinte Franziska hastig. Männer in ihrer Wohnung, die mit Clara zum ersten Mal zusammentrafen – das war ein sensibles Thema.
»Wie heißt du denn?«, fragte Hutter an das Mädchen gewandt.
»Clara.«
Joe Hutter lächelte. »Clara ist ein schöner Name. Die Freundin von Franz von Assisi hieß so. Kennst du den? Das war ein guter Mensch, der liebte und respektierte die Natur. Er nannte die Tiere seine Brüder und Schwestern.«
Clara interessierte das nicht. Sie sah Franziska an und sprach über Hutter so, als sei er gar nicht im Raum. »Mama, warum redet der Mann so komisch?«
»Er ist Engländer …«
»Schotte!«
»Ich dachte, das sei dasselbe.«
»Leider nicht«, antwortete Hutter traurig. »Sonst wären die Engländer ja auch bessere Menschen.« Er blickte Franziska sehr ernst an und verzog dann unvermittelt das Gesicht zu einem breiten Grinsen. »Wir müssen auf die Evolution vertrauen, vielleicht können sich die Engländer im Lauf von ein paar Millionen Jahren noch zu Schotten entwickeln.«
Franziska kicherte. »Und die Deutschen?«
»Die sind eigentlich gar nicht so schlimm. Bis auf den Tee, den sie kochen. Ich sehe da durchaus Potenzial.«
»Und die Schotten?«
»Das sind stolze, schöne Menschen.« Er sah Franziska durchdringend an. »Ich bin leider die berühmte Ausnahme von der Regel.«
Da angelt jemand aber heftig nach Komplimenten, dachte Franziska. »Haben Sie Heimweh?«
»Jetzt gerade nicht«, meinte Joe Hutter lächelnd. »Trotzdem: Ich bin Schotte!«
Clara lachte laut auf. »Trägst du auch einen Rock?«, fragte sie Hutter.
»Das heißt
Weitere Kostenlose Bücher