Die Lava
Boulevardzeitung mit dem Bild eines Vulkanausbruchs und eines Lavastroms, der um das Kloster Maria Laach floss, und warf sie so auf den Besprechungstisch, dass die Titelseite mit der schlecht gemachten Fotomontage für alle sichtbar dalag.
»Wir müssen wissen«, schnaufte er, »was hier los ist. Hutter, wie weit ist Ihre Lageeinschätzung?«
Joe Hutter heftete schnell noch ein paar fotokopierte Seiten zusammen und reichte sie seinem Chef.
»Die Landesgeologen sehen keinen Grund zur Sorge. Alles läuft darauf hinaus, dass der Vulkan des Laacher Sees noch aktiv ist, aber zurzeit ruht. Er wird sicher wieder ausbrechen, allerdings nicht in naher Zukunft. Und doch …«
»Ja?«
»Sie stimmen auch darüber überein, dass sich in der letzten Zeit einiges verändert hat. Die seismischen Aufzeichnungen …« – Hutter deutete auf eines der Blätter, die er von der Erdbebenwarte erhalten hatte, darauf waren mehrere Zickzacklinien zu sehen – »zeigen ein verändertes Verhalten. Die Produktion von Kohlendioxid steigt fast täglich an, wo es früher perlte, sprudelt und blubbert es jetzt.«
MacGinnis lauschte aufmerksam, dann wandte er sich den Unterlagen zu, las sie gründlich und unterstrich manches in den Ausdrucken und Kopien.
»Diese Vulkanologin …«, murmelte MacGinnis und blickte auf ein Blatt Papier.
»Sie sagt, kürzlich seien sehr große Gasblasen aufgestiegen. Uncharakteristisch große Blasen.«
»Ist das die Frau mit dem Taucher?«
»Ja. Sie war es, die ihn gefunden hat.«
»Und was hat Ihre Überprüfung dieser Frau Jansen ergeben?«
»Nichts. Ich denke, dass sie nichts mit den Machenschaften dieser Taucher zu tun hat. Aber …«, Hutter machte eine kleine Pause, als grübelte er ernsthaft nach, »ich würde gern noch etwas mehr Zeit mit ihr verbringen, um wirklich sicher zu sein.«
MacGinnis schmunzelte altersweise. »Ja, tun Sie das.«
»Ein sensationelles Naturereignis« meldete die erste Ausgabe der Tagesschau im Frühstücksfernsehen aus der Eifel. Franziska nahm sich die Fernbedienung und zappte durch alle Kanäle. Manche Sender brachten den Ausbruch des Geysirs sogar in einer Sondermeldung.
Noch als die Nachricht lief, klingelte ihr Handy. Joe Hutter war am Apparat. »Haben Sie die Nachrichten an?«
»Ja.«
»Fahren wir zu diesem Geysir? Wir beide?«
Franziska kannte den Ort. Zuverlässig wie eine Uhr brach er seit Jahren regelmäßig aus: der Brubbel. Zuverlässig maß die Höhe seiner Fontäne rund dreieinhalb Meter. Zuverlässig alle 35 Minuten schoss sie nach oben. Bis eben.
Keine zehn Minuten später fuhr Hutter mit dem Auto bei ihr vor.
Franziska ging zur Beifahrertür und öffnete sie. Joe Hutter blickte zu ihr hoch und schmunzelte. »Wollen Sie fahren?«
Verblüfft schaute Franziska ihn an und lachte. »Ach, ein englisches Auto.« Sie stieg an der anderen Seite ein.
»Sie werden sich daran gewöhnen müssen«, meinte Joe Hutter, »dass ich auf der falschen Seite bin.«
Sie legte den Gurt an und blickte ihm in die Augen. »Wollen Sie einen Crashkurs in Vulkankunde?«
Hutter nickte und drehte den Zündschlüssel herum. Er fuhr ganz unaufgeregt, ärgerte sich nicht über den quälend langsam fließenden Verkehr. Es hatten noch andere die Idee gehabt, in das abgelegene Eifelstädtchen zu fahren. Schaulustige, die sehen wollten, ob das, was im Fernsehen gezeigt wurde, auch in Wirklichkeit existiert. Franziska gefiel diese Gelassenheit. Hektik gab es schon genug im Leben.
»Nun?«, forderte Hutter sie auf.
»Also, der Geysir von Wallenborn ist – nein, er war – ein Kaltwassergeysir.«
»So wie Old Faithful im Yellowstone Nationalpark?«
»Das ist ein richtiger Geysir. Das Wasser wird dort vom Magma erhitzt, bis es hochbricht. Beim Wallenborn ist das anders.«
Joe bremste kurz, um ein anderes Auto von rechts in die Schlange zu lassen.
»Bei einem Kaltwassergeysir wird das Wasser nicht vom Magma unter Druck gekocht, bis es ausbricht. Aber es ist trotzdem ein vulkanisches Phänomen.«
Sie kamen an einem großen handgemalten Schild vorbei, das leicht schräg an einem Holzpfosten im Boden stak und einen spitz aufragenden Vulkan zeigte, der rote Lava, Steine und dicke Rauchwolken spie. »Schnellster Weg zum Brubbel« stand in ungelenken Buchstaben darauf.
Joe zeigte im Vorüberfahren auf den Wegweiser. »Sieht ganz so aus, als würden Sie recht behalten – da kann man schon den Ausbruch sehen.«
Franziska musste lachen. »Der würde vermutlich den Tourismus ankurbeln –
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