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Die Lava

Die Lava

Titel: Die Lava Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Magin
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na ja, ein paar Stunden lang!«
    Hutter hielt an einer roten Ampel. »Also, wie unterscheidet sich nun dieser Bruddel von einem normalen Geysir?«
    »Brubbel! Unter der Eifel sitzt ein Plume …«
    »Eine Feder?«
    »Nein, so nennen wir Vulkanologen eine hoch aufsteigendeMagmakammer. Das heiße Magma entlässt Kohlenstoffdioxid in das umgebende Gestein. Dazu kommen noch andere Gase wie Schwefelwasserstoff – deshalb stinkt der Brubbel manchmal nach faulen Eiern. Das Gas steigt durch haarfeine Risse, aber auch richtige Spalten und Klüfte nach oben und gelangt dann in das Grundwasser. Dort blubbert und drückt es wie Kohlensäure im Sprudelglas. Im Grunde ist es wie bei einer riesigen Sprudelflasche, die man schüttelt – irgendwann wird der Druck zu hoch, und das Wasser spritzt aus dem Hals. Und beim Brubbel ist es nicht anders.«
    Hutter schob sich an einem Bus einer TV-Anstalt vorbei, der mit einem Platten am Vorderrad am Rand der Landstraße stand. Das Kamerateam filmte sich selbst. Eine junge Frau sprach in ein Mikrofon, und dem Fahrer, der bei all diesem Theater den Reifen zu wechseln hatte, sah man deutlich an, wie genervt er war.
    »Wenn sich so viel Druck angesammelt hat«, fuhr Franziska fort, »dass er sich irgendwie lösen muss, steigt das ganze schäumende Wasser nach oben. Unter dem gewaltigen Druck entleert sich die in sich abgeschlossene Grundwasserkammer, das Gas entweicht und eine Fontäne schießt empor, die je nach Umweltbedingungen zwei bis vier Meter hoch ist.«
    »Sieben bis dreizehn Fuß«, rechnete Hutter um und pfiff durch die Zähne.
    »Jetzt ja noch höher …«
    »Deswegen fahren wir hin.«
    »Darf ich?«, fragte Franziska und kurbelte gleichzeitig das Seitenfenster herunter. Es war jetzt schon heiß, und das Auto erhitzte sich schnell, weil es in der langen Schlange nur langsam vorwärts ging.
    »Klar«, sagte Hutter und lächelte, weil sie seine Antwort nicht einmal abgewartet hatte.
    »Wenn sich die Wasserkammer entleert hat, lässt der Drucknach, und die Wassersäule stürzt in sich zusammen. Dann baut das Gas erneut Druck auf, und der Geysir eruptiert wieder. Deshalb bricht er so regelmäßig aus – hier alle 35 Minuten. Daher dauert auch jeder Ausbruch etwa gleich lang, in Wallenborn eben fünf Minuten.«
    »Aber nun ist die Wassersäule plötzlich doppelt so hoch und nicht mehr kalt, sondern warm.«
    »Deswegen müssen wir ja nachschauen!«
    An den Straßenrändern standen von den geschäftstüchtigen Anrainern eilig aufgeschlagene Buden und hastig aufgebaute Tische, auf denen frisches Obst und lokale Spezialitäten angeboten wurden.
    Immer wieder kamen sie an Häusern vorbei, die notdürftig eingerüstet waren, an Baufahrzeugen und Zementmischern. Einige ältere Gebäude umflatterten Absperrungen aus rot-weiß-gestreiften Plastikbändern, andere waren mit Bauzäunen umgeben. In den Wänden und im Putz zeichneten sich Risse ab, Haufen von Ziegeltrümmern zeigten an, dass hier ganze Dächer vom Dachstuhl gerutscht waren – alles Zeichen der jüngsten heftigen Erdstöße.
    Zwischen den Dörfern gab es weite Blicke über die breite, sanft rollende Hügellandschaft. Vulkanische Kräfte hatten für das schweifende Auge verborgene Maare in diese friedvolle Landschaft gestanzt, aber die ließen sich höchstens erahnen, weil sich über den Seeflächen jeweils kleine Wolkenhaufen ballten.
    Sie schwiegen einen Moment lang, in dem Hutter einen Wagen vor sich einfädeln ließ, der, weil es dem Fahrer zu lange gedauert hatte, einfach so lange auf der Gegenspur gefahren war, bis dort Verkehr auftauchte. Ein Deutscher hätte sich jetzt schrecklich aufgeregt, dachte Franziska.
    »Übrigens …«
    »Ja?« Hutter sah vom Lenkrad zu ihr herüber.
    »Joe – wofür steht das eigentlich? Für Joseph?«
    »Nein.« Hutter lächelte. »Es heißt Jojakim. Ein israelischer Hohepriester aus dem Alten Testament. Meine Eltern waren ziemlich religiös.« Er lachte verlegen, als sei es ihm peinlich. »Religiöse Fanatiker, eigentlich.«
    Nach dem Tod seines Großvaters, eines bekannten Biologen, der bei einem Unfall in seinem Labor ums Leben gekommen war, war sein Vater einer besonders strengen Variante des schottischen Calvinismus beigetreten. Sabbatheiligung, keine Musik – eine Konfession ohne Freude, die vor allem die Pflicht betonte. So hatte seine Erziehung vor allem darin bestanden, ihn auf den Ernst des Lebens vorzubereiten, ihm gleichzeitig aber auch die Großartigkeit der Schöpfung

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