Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lava

Die Lava

Titel: Die Lava Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Magin
Vom Netzwerk:
nähergebracht.
    »Was haben die Leute früher gedacht, wenn der Geysir emporschoss? Die haben wohl geglaubt, dass dort unten der Teufel eine Suppe kocht!« Hutter zog die Stirn kraus.
    »Für die Leute früher war das kein Thema«, meinte Franziska. Sie zog ein paar Unterlagen aus ihrer Tasche und blätterte darin. »Früher war der Geysir von Wallenborn eine harmlos blubbernde Quelle, eine sogenannte Mofette – das sind die Stellen, an denen Kohlenstoffdioxidbläschen nach oben wallen, ganz ruhig und friedlich, so wie jetzt noch im Laacher See.«
    »Und was geschah dann …?«
    »1933«, murmelte Franziska und kramte in den Papieren, bis sie die entsprechenden Daten gefunden hatte.
    Joe Hutter stoppte das Auto. Franziska blickte auf und sah einen Reisebus, der quer zur Fahrbahn stand. Seelenruhig, als hätten sie alle Zeit der Welt, stiegen die Leute aus, mit Kameras behängt. Der ganze Verkehr stand deswegen still. Sie sah zu Hutter hin, der nicht einmal nervös mit den Fingerspitzen auf das Lenkrad tippte. Der Mann war die Ruhe selbst!
    »Was war 1933?«, fragte Hutter.
    »1933 bohrte die Gemeinde an dieser Mofette ein Loch, um Mineralwasser zu gewinnen. Dabei piekste sie die unterirdische Wasserkammer an, und der Geysir entstand.«
    »Er ist also künstlich?«
    »Sozusagen – aber er hätte es vielleicht auch ohne fremde Hilfe bis zur Oberfläche geschafft. Auch das gibt es.« Sie fuhr mit dem Finger über die Zeilen eines Fachtextes und fasste kurz zusammen: »Jedenfalls, als man in 38 Metern Tiefe angekommen war, erfolgte die erste Eruption aus Wasser, Schlamm und Kohlenstoffdioxid. Man senkte dann ein dreißig Meter langes Rohr in das Bohrloch, aber die Säure zerfraß es, bevor man das Mineralwasser kommerziell nutzen konnte.«
    »Aber jetzt sprudelt der Geysir doch?«
    »Ja, in den fünfziger Jahren ragte nur noch das zerfressene Ende des Rohres aus der Quelle, und daraus strömte das Gas. Vögel, die sich darauf setzen, erstickten und fielen tot um. Man musste also etwas tun. Der Geysir wurde daher 1975 erneut gefasst, dieses Mal in einem Schacht mit Kiesfilter, und dann immer wieder regelmäßig gewartet, bis etwa 1983. Damals kam es alle 55 Minuten zu einer Eruption, und die dauerte ganze 20 Minuten. Es gab allerdings noch keinen Geysir im heutigen Sinne.«
    »Also?« Hutter war immer noch keine Ungeduld anzumerken, aber Franziska fand, dass er allmählich genug Details gehört hatte.
    »2001 wurde dann das heutige Rohr gelegt«, erklärte sie also, »seitdem hat der Geysir eine Fontäne und seine heutige Periode.«
    »Das ging jetzt aber schnell.« Hutter nickte anerkennend und parkte den Wagen einige Kilometer außerhalb von Wallenborn am Fahrbahnrand. Vor ihnen zog sich eine Autoschlange hin, der Verkehr war völlig zum Erliegen gekommen.
    »Wir laufen wohl besser das letzte Stück«, meinte Hutter, stieg aus und öffnete Franziska die Beifahrertür.
    Sie sahen den Platz schon von weitem: eine kleine Senke, die früher wohl mit Gras bewachsen gewesen sein musste, die nun aber Schlamm bedeckte, Sitzbänke, ein Kassenhäuschen, darum Einfamilienhäuser. Die Stämme der Bäume waren ganz schwarz von Nässe.
    Den Geysir von Wallenborn – den Brubbel, wie ihn die Anwohner liebevoll nannten – umgab ein niedriger Jägerzaun, aber zusätzlich begrenzte nun ein rot-weiß-gestreiftes Absperrband der Polizei das Areal. Davor drängelten sich die Schaulustigen. Zwei Polizeibeamte versuchten, die Situation unter Kontrolle zu behalten.
    Hutter zeigte einen Ausweis vor. Die Beamten hoben das Absperrband hoch und ließen ihn und Franziska auf das Gelände.
    Der Boden war heiß, nicht erhitzt von der Sonne, sondern von innen heraus. Ein eigentümliches Gefühl, beängstigend.
    Die früher sehr hübsche Anlage des Brubbels lag völlig verwüstet vor ihnen. Wo noch am Tag zuvor ein gepflasterter Platz gewesen war, auf dem der Geysir in die Höhe sprudelte, breitete sich nun ein Schlammloch, eine Sumpflandschaft aus. Das Metallgeländer, das den Brubbel umgab, neigte sich beträchtlich zur Seite, es war rostig und verbogen, seine Fundamente hatte das Wasser offensichtlich längst unterhöhlt. Die Holzbänke für die Besucher wirkten alt und morsch. Die Wiese hatte sich in ein Feuchtgebiet verwandelt.
    Die Natur holt sich zurück, was ihr gehört, dachte Joe. Er musste immer wieder lachen, wenn er sah, wie die Deutschen mit Naturschauspielen umgingen: begradigte Fluss- und Bachläufe, betonierte Seeufer, ein Geysir

Weitere Kostenlose Bücher