Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lava

Die Lava

Titel: Die Lava Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Magin
Vom Netzwerk:
französisches Restaurant in Köln besucht, war vom Menü enttäuscht und mies gelaunt. Vermutlich suchte man schon nach ihm. Oder auch nicht. Bei diesen Sonderaufgaben war es schon einmal nötig, tagelang verschollen zu sein, wenn man einer Spur nachging. Er musste unbedingt MacGinnis anrufen. Das war wichtig. Das war seine Pflicht.
    Der Morgennebel lag als dünner weißer Schleier über dem See, zart wie ein Spinnennetz. Die feinen Nebelschwaden ballten sich zu einer großen weißen Blumenkohlwolke zusammen, die in großen bauschigen Ballen nach oben stieg. Die Kraterwand hinter dem See nahm er nur als bleiche graue Silhouette wahr. Ein erster Sonnenstrahl traf auf die Türme des Klosters, sie erglühten goldgelb. Dann leuchtete das ganze Gebäude auf.
    Er zog sein Handy aus der wasserdichten Tasche und sah auf dem Display, dass er ganze zwei Tage geschlafen hatte – von dem Abend, an dem er verletzt worden war, die ganze Nacht und den Tag darauf und die folgende Nacht, bis er jetzt im Morgengrauen erwacht war.
    Er sollte unbedingt MacGinnis anrufen.
    Er flippte das Handy auf und tippte Franziskas Nummer ein.

4
    Er legte auf und rief als Nächstes die Nummer von MacGinnis an, er erklärte, wo er sich befand, und gab einen kurzen Lagebericht.
    Dann warf er sich eine alte Decke, die in der Hütte lag, um die Schultern. So sah man wenigstens seine blutverschmierte Kleidung nicht. Er stolperte zum Ufer und spülte Wasser über sein Gesicht, er war zu stolz, sich helfen zu lassen, wollte aus eigener Kraft, nicht als Besiegter zum Hauptquartier zurück. Er schleppte sich zum Kloster. Es dauerte eine Ewigkeit: Den Weg, den er sonst in einer Dreiviertelstunde zurücklegte, zog und zog sich. Er war noch schwach auf den Füßen, jeder Schritt kostete enorme Kraft. Alle hundert Meter blieb er stehen, hielt sich mit ausgestrecktem Arm an einem Baumstamm fest und verschnaufte.
    Die ersten Jogger waren bereits unterwegs und liefen keuchend an ihm vorbei. Sie warfen ihm abschätzige Blicke zu – er war verschmiert, stank vermutlich, wankte. Ein Penner, der den Spaziergang der guten Leute stört.
    Langsam erwärmte sich die Luft. Hutter fühlte, wie die Wärme in seinen erschöpften Körper kroch. Er konnte bereits schneller laufen, musste nicht mehr so häufig anhalten und nach Luft schnappen. Der Gedanke an ein Frühstück, das ihn im Kloster erwartete, trieb ihn vorwärts. Er sah bereits den Parkplatz vor sich – jetzt war es nicht mehr weit.
    Er humpelte den Weg entlang, der die Uferwiesen durchschnitt, überquerte den Parkplatz, der um diese morgendlicheZeit noch fast leer war, und näherte sich mit letzter Kraft und schwer atmend dem Klostergebäude.
    Als er den Raum betrat, bot sich ihm das gewohnte Bild. Der Nordengländer flog zum hundertsten Mal über eine computergenerierte Modelllandschaft der Eifel in 3-D, er wollte so den Absturzort einkreisen, Neal beugte sich über einen Stapel Papierausdrucke des Side-Scan-Sonars in verschiedenen Auflösungsstufen, um weitere natürliche Ziele von potenziell künstlichen Objekten zu unterscheiden und so das Wrack zu finden.
    Joe räusperte sich.
    Alle sahen zu ihm hin, die übliche Geschäftigkeit erstarb sofort. Reginald MacGinnis stand auf der Stelle auf und ging, kräftig schnaufend von der plötzlichen Aktivität, mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu.
    »Endlich! Da sind Sie ja wieder! Wo zum Teufel haben Sie gesteckt?«
    »Man hat auf mich geschossen.«
    »Wer hat geschossen?«, brach es aus MacGinnis heraus.
    »Keine Ahnung … andere Taucher im See.«
    »Hm …«
    »Ich muss unbedingt einen Bericht schreiben.«
    »Machen Sie das! Aber Sie sehen furchtbar erschöpft aus. Mir reichen fürs Erste die wichtigsten Fakten. Ruhen Sie sich doch erst mal aus, Hutter. Schreiben Sie den Bericht später.«
    Joe hörte es, aber die Worte drangen nicht wirklich zu ihm. Langsam, wie unter Drogen, erwog er sie. Er konnte sich schon vorstellen, wie er nach zwei Tagen Liegen im eigenen Blut, mit aufgequollenem Gesicht und bereits von dem kleinen Spaziergang über zwei Meilen völlig erschöpft, auf seinen Chef wirken musste. Vermutlich war es besser, erst einmal eine Runde im Bett zu schlafen, um dann wieder einen klaren Kopf zu haben.
    »Sie haben mich nicht gefunden?«, erkundigte sich Hutter bei seinem Vorgesetzten.
    »Wir haben nicht nach Ihnen gesucht«, antwortete MacGinnis.
    Hutter sah ihn fragend an.
    »Wir haben nicht nach Ihnen gesucht, weil jeder von uns die maximale Freiheit

Weitere Kostenlose Bücher