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Die Lava

Die Lava

Titel: Die Lava Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Magin
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dir Finsternis ist, wie groß muss diese Finsternis sein! Schau mal nach oben, Gott, dachte er, hoch zum Nachthimmel: Dort ist alles finster und düster, nur durchbrochen von dem schwachen und jämmerlichen Glimmen winzigster Sterne. Du selbst hast eine Welt der Dunkelheit geschaffen, also steh dazu. Die neunundneunzig Namen Gottes – das waren neunundneunzig Bezeichnungen für Verlassenheit, Einsamkeit, Sinnlosigkeit und Leere.
    Wenn man die Welt erlösen will , schrieb er weiter in gestochen scharfen Buchstaben in sein Tagebuch, dann darf man das nicht mit Liebe tun. Es wurde versucht, es hat nicht funktioniert. Wer heute die Welt erlösen will, muss demütig und unbarmherzig sein.
    Fehlalarm! Die Ergebnisse der chemischen und biologischen Untersuchungen durch ein Labor des Bundeslandes Rheinland-Pfalz erlösten das gesamte Team.
    Andrew Neal strich sich nervös durch seine weißen Haare, als sich das PDF im Schneckentempo öffnen ließ. Schließlich brachten ihn die Schachtelsätze in Beamtendeutsch ins Schwitzen. Dann aber verstand er die Analysen und lächelte. Er eilte zu MacGinnis hinüber, der sich brummend überden Ausdruck beugte und dann ungläubig den Kopf schüttelte.
    »Aufgrund des Badeverbots«, erklärte ihm Neal, »ist es bislang zu keinen weiteren Fällen von Hautverätzungen, Pusteln oder Ausschlägen gekommen. Ich habe alle Krankenhäuser der Gegend abtelefoniert, dort ist seit heute Mittag niemand mehr mit ähnlichen Beschwerden oder Symptomen eingeliefert worden.« Er hielt seine Telefonnotizen hoch, als bedürfte die Feststellung eines Beweises.
    Dass die kurze Epidemie ihr Ende gefunden hatte, stellte allerdings nicht die eigentlich erfreuliche Nachricht dar. Nun, mit den Untersuchungsresultaten, gab es eine verlässliche Sicherheit, dass selbst die aufgetretenen Fälle, die im Fernsehen so dramatisch und mysteriös wirkten, auf einem Fehlalarm beruhten. Zwar stellte das Baden und Schwimmen im See tatsächlich eine Gefahr für die Gesundheit dar, aber Schuld daran hatten nicht die Erreger, derentwegen sie hierher gekommen waren. Man konnte definitiv davon ausgehen, dass die Bakterien noch fest verschraubt in ihren Bomben saßen.
    Den Fehlalarm hatte die Blüte einer bestimmten, mikroskopisch kleinen Blaualge ausgelöst, einer Bakterie aus der Frühzeit des Lebens, deren Lebensraum sich durch die Einbringung von zu viel Gülle überdüngt und dadurch optimal umgestaltet hatte. Das Überangebot an Nährstoffen hatte – in Kombination mit den heißen Temperaturen – zu einer Massenentwicklung, einer sogenannten Cyanobakterien-Blüte geführt. Direkt unter der Seeoberfläche bildeten sich große, von den Wellen träge bewegte Schlieren aus Mikrowesen. Wer immer schwamm, tauchte seinen Kopf, seinen Körper, die Arme und Beine in diesen giftigen Teppich, nahm bei ungeschickten Atemzüge ganze Kolonien in sich auf.
    Der Hautkontakt mit Cyanobakterien konnte drastischeFolgen haben: Ihr Gift wirkte auf Leber und Nerven, erzeugte Hautirritationen und Beschwerden wie etwa Übelkeit, Erbrechen, Atemnot und Durchfall. Ein schweres Umweltdelikt, aber es hatte nichts mit der abgestürzten Halifax zu tun.
    »Es gibt außer einem Lavaausbruch noch eine zweite vulkanische Gefahr im Laacher See«, sagte Franziska. »Achte darauf, wenn du jetzt öfters tauchst.« Sie stellte Joe eine Tasse Tee hin und überprüfte seinen Verband.
    »Worauf soll ich achten?«
    »Sagt dir der Name Nyos etwas?« Franziska wusste längst, dass Joe wenig Ahnung von Vulkanologie hatte.
    »Nyos? Irgendeine Grunderinnerung … eine Katastrophe?«
    »Ja. Nyos ist ein Maar in Kamerun. Dort steigt, wie hier im Laacher See, CO 2 aus einer Magmakammer im Erdinnern.«
    »Tse- Oh-Zwei? Das klingt wie ein Jedi-Ritter aus Star Wars.«
    »Kohlenstoffdioxid. Das Gas, das auch bei den Mofetten aufwallt und das die Geysire angetrieben hat.«
    »CO 2 ! – Ich hatte dich nicht verstanden!«
    »Nun, im Nyos-See steigt dieses Kohlenstoffdioxid aus der Erde, aber der tiefe See, der Druck des Wassers, hält dieses in Konzentration giftige Gas in der Seetiefe. Nun kam es am 21. August 1986 dort zu einem Unterwassererdrutsch oder kleinen Erdbeben, niemand weiß es ganz genau, und das geschichtete Wasser wurde durcheinander gewirbelt. Das setzte eine große Gasblase aus ihrem Gefängnis auf dem Seegrund frei. Sie stieg nach oben, und 1,6 Millionen Tonnen des tödlichen Gases fluteten wie eine Lawine über das Land. Es gab siebzehntausend Tote. Bis heute

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