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Die Lava

Die Lava

Titel: Die Lava Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Magin
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darf niemand mehr dort wohnen.«
    »Und so eine Blase gibt es im Laacher See auch?«
    »Nein, der See ist nicht tief genug. Der Wasserdruck reicht nicht aus, um das Kohlendioxid in der Seetiefe zu halten. Aber man sieht ja am Ostufer, wie viel von dem Gas austritt. Hier im Laacher See handelt es sich um reines Kohlendioxid, und es tritt nicht nur in der seichten Uferzone aus. Mitte der neunziger Jahre haben Forscher des Eidgenössischen Instituts für Umweltforschung mit Tauchern in einunddreißig Metern Tiefe hier im Ostteil des Laacher See Trichter im Schlamm entdeckt, aus denen ganze Trauben von Blasen herausblubberten, fast hundert Prozent reines Kohlendioxid, vermengt mit Edelgasen wie Helium, Argon und Neon. Die Wissenschaftler haben anhand der isotopischen Signatur festgestellt, dass diese Gase aus dem Erdmantel kommen, also aus dem Erdinnern.«
    »Halt, halt.« Joe hob beschwörend die Hände. »Ich bin kein Chemiker und kein Geologe. Worauf willst du hinaus?«
    »Kurz gesagt: Die Forscher haben ganz erhöhte Gaswerte, vor allem Helium, im Hypolimnion gemessen, im tiefen Wasser des Sees. Vom Grund bis etwa in eine Tiefe von fünfundzwanzig Metern ist beispielsweise die Heliumkonzentration zwar dreißig Mal geringer als im Nyos-Krater, aber auch zwanzig Mal höher als im Crater Lake in Oregon, einem Caldera, der sich mit dem Laacher See vergleichen lässt.«
    »Worauf soll ich achten?«
    »Tote Zonen im See, in denen sich übermäßig Gas angesammelt hat. Es wird nur unter der Seeoberfläche gefährlich. Selbst wenn dasselbe passiert wie in Nyos, gibt es hier nicht genug Gas, um eine Katastrophe heraufzubeschwören.«
    »Ich atme ja im See aus der Pressluftflasche.«
    »Ich will nur, dass du auf dich aufpasst.«
    Ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch, eine alte, unkontrollierbare Massenvernichtungswaffe, die der Vulkan auslösen konnte, Gas, das Taucher erstickte, und eine unbekannte Konkurrenz, die mit dem Feuer spielte, ohne zu wissen, wassie dabei riskierte – gibt es denn eine Gefahr, die es hier nicht gibt?, dachte Joe.
    Wenn die Erde um den Laacher See bebte, fand Franziska Meldungen darüber höchstens noch bei den Kleinmeldungen der Lokalzeitungen. Es musste schon ordentlich rappeln, damit überregional berichtet wurde, und die plötzliche, heiße Eruption der beiden Eifelgeysire schien zwar den Fernsehkanälen noch eine Sondersendung wert gewesen zu sein, doch jetzt herrschte Stille. Man brauchte schon ein gewisses detektivisches Gespür, um in den überregionalen Medien überhaupt etwas über die kleineren Beben zu finden. Die zunehmende Aktivität schien niemand wirklich zu interessieren. Eine große Boulevardzeitung machte zwar nach wie vor auf der ersten Seite mit einer Schlagzeile zum Eifelvulkan auf, doch extrem übertrieben und so sensationalistisch, dass niemand den Ernst der Lage begriff. Zudem berichtete sie über das zweite kuriose Sommerthema, Sichtungen eines nessieartigen Ungetüms im Bodensee. Wenn schon einmal Vulkanologen in den Medien befragt wurden, wiegelten sie in der Regel ab und sprachen von natürlichen Fluktuationen der Aktivität, die nun eben einmal vorzukommen pflegten. Dennoch war Franziska überzeugt, dass hier etwas geschah, das nicht ignoriert werden durfte. Von dem, was sie von Joe erfahren hatte, ganz zu schweigen.
    Sie beschloss, das ScienceCenter solle mit gutem Beispiel vorangehen, machte einen Termin mit ihrem Chef Uwe Lauf aus und spazierte keine dreißig Minuten später durch seine Tür. Er empfing sie trotz der späten Uhrzeit in seiner väterlichen Art – freundlich, ernst und stets besorgt.
    »Wir brauchen unbedingt Temperaturmesser auf dem Seeboden«, kam sie gleich zur Sache, »am besten mindestens ein Dutzend, in regelmäßigen Abständen verteilt.«
    »Wie soll das gehen? Man hat uns schon wieder Mittelgekürzt.« Lauf hätte ihr erzählen können, dass er mit der Regierung und dem Wissenschaftsministerium über ein Frühwarnsystem verhandelte, dass sich diese Verhandlungen aber hinzogen, weil erst noch Kompetenzen in Berlin und dann der Verteilungsschlüssel hier vor Ort geklärt werden mussten. Er hätte ihr auch sagen können, dass in der Hauptstadt unter Einbeziehung der geologischen Institute der Universitäten und sogar des ScienceCenters ein Notfallplan erstellt wurde, bei dem Verkehrsexperten längst an einer eventuell nötigen Evakuierung der gesamten Region arbeiteten. Aber man wollte in Berlin vernünftigerweise Panik vermeiden. Zudem hatte er

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