Die Lava
eine Schweigeerklärung unterschrieben.
»Aber es besteht eine ernsthafte Gefahr!«
»Sie verstehen doch, dass wir die seismische Station hier nur unterhalten, damit die Touristen sehen, dass der Vulkanismus noch aktiv ist.« Uwe Lauf hatte großes Verständnis für seine Mitarbeiterin, die klug genug war, die Zeichen zu erkennen, aber er konnte und wollte den Entscheidungen nicht vorgreifen. So schnell würde die Katastrophe nicht kommen. Glaubte er zumindest.
»Und was ist«, Franziska zeigte auf einen Monitor auf Laufs Schreibtisch, »mit der stets zunehmenden Bebentätigkeit? Das deutet doch auf mehr als einen kurzen Schauer und Gänsehauterlebnis für Eifelbesucher hin, oder?«
Wie um Franziskas Worte zu unterstreichen, klirrte in diesem Augenblick Laufs Kaffeetasse auf dem Unterteller, und seine Kugelschreiber rollten ruckartig über den Tisch. Die Nadel des Seismographen zeichnete aufgeregte Zickzacklinien auf das Papier, das die Erdstoßintensität aufzeichnete.
»Sehen Sie! Das war wieder eines!«, stellte Franziska fast triumphierend fest.
Lauf tat so, als hielt er es lediglich für ein weiteres, unbedeutendes Zittern der Erde.
»Ich habe bereits mit der Universität gesprochen«, meinteer zögerlich und strich sich verlegen durch den Vollbart. »Die behalten das im Blick.«
»Was wäre, wenn …«
»Wenn …«
»… wenn ich jetzt etwas Eigeninitiative zeigte«, beendete Franziska ihren Satz, »und die Instrumente, die wir ohnehin haben, einsetzen würde, um meine Messungen vorzunehmen, und zu einer endgültigen Aussage käme?«
»Nur zu! Ich schätze Eigeninitiative sehr.«
Von ferne kläffte ein Hund, ein zweiter antwortete ihm heiser. Der See plätscherte verschlafen gegen das Ufer, eine unvermittelte Windböe raschelte durch die Blätter und ließ sie rauschen.
Die Nacht war klar, die Luft windstill. Kein Wölkchen trübte den Himmel, und die Sterne funkelten herab wie Tausende neugieriger Augen.
Es war kühler als erwartet. Franziska fröstelte, und sie zog den Kragen ihrer Jacke hoch. Wie ruhig der See vor ihr lag, eine schwarze, glänzende Fläche aus dunklem Glas, die beständig gegen die Kiesel und Schilfpflanzen am Ufer murmelte. Die Vögel schliefen, nur ab und zu schrie ein Kauz.
Etwas bewegte sich durch den dunklen Wald, mit schnellen Schritten. Franziska erstarrte. Vielleicht stimmte, was Joe gemeint hatte: dass es hier nachts allein zu gefährlich sei. Nein, Unsinn. Das Tapsen hörte auf. Es war bestimmt nur ein wildes Tier gewesen, das sie nun gewittert hatte und das diesen Eindringling im Schutz der Nacht vielleicht noch immer misstrauisch beäugte. Franziska schüttelte sich, versuchte die dumme Furcht vor dem Unbekannten abzustreifen, beruhigte sich und ging weiter. Hier, zwischen den dichten Bäumen, erhellte der Mond den Weg kaum noch, einzig aus dem Boden ragende Wurzeln schimmerten kurz in blassem Silber auf.
Schon auf dem Parkplatz war es still gewesen. Er lag um diese Zeit von den Menschen verlassen da, es parkte auch niemand mehr hier. Franziska hatte den See schon oft nachts umrundet, sie fürchtete sich nicht vor der Dunkelheit. Sie hatte kurz ihre Kamera getestet, indem sie diese auf die Abtei richtete. Funktioniert, stellte sie zufrieden fest, weil sie die Wärme, die durch die Fenster abstrahlte, als deutliche rote Quadrate erfasste.
Sie sah zwischen den Bäumen durch auf den See. Der breitete sich tiefschwarz vor ihr aus, glatt, ein gigantisches Tintenfass. Der Mond warf seine Sichel hinein, sie zersplitterte in tausend kleine helle Striche, als eine Ente vorbeischwamm.
Es war still. Allein das leichte und leise Plätschern der Wellen, die ans Ufer schwappten, ließ sich vernehmen. Eine kleine Brise huschte durch den Wald und raschelte mit den Blättern. Die tausend leisen Geräusche, die sie plötzlich wahrnahm, rissen sie aus ihren Gedanken. Sie musste an die Arbeit gehen.
Franziska nahm ein Infrarotbild auf, dann ging sie weiter. Sie zählte ihre Schritte im Kopf mit: eins, zwei, drei, vier, fünf … zehn … zwanzig. Alle fünfhundert Schritte blieb sie kurz stehen und nahm ein Bild des finsteren Sees auf. Die dösenden Enten erschienen auf dem Digitalfoto wie flammende rote Punkte mit einem gelben Saum. Jedes Mal, wenn sie stehen blieb, führte sie eine GPS-Berechnung durch. Auf der Computerkarte würden ihre Positionen genau markiert sein, ebenso ihre Blickrichtung. Wenn sie recht behielt, sollten dann die präzisen Koordinaten erfasst sein.
Eins,
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