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Die Lava

Die Lava

Titel: Die Lava Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Magin
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ein Krater. Er schlummerte noch unter der Erde, unsichtbar, aber er rückte näher nach oben.
    Sofort rief sie Joe an. Er gähnte, als er abnahm. »Weißt du, wie spät es ist? Es ist … fünf Uhr früh!«
    Franziska erklärte hektisch, was sie in den letzten Stunden herausgefunden hatte.
    »Heißt das etwa, dass da ein ganzer Ring aus Geysiren an die Oberfläche quillt?«, wollte Joe wissen. Er war mit einem Schlag hellwach. Es war eine unheimliche Vorstellung. Er erinnerte sich deutlich an seinen Tauchgang, als ihn eine Strömung davongetragen hatte, zu einem Platz auf dem Seegrund, an dem Blasen aus der Erdtiefe stiegen und das Wasser sich warm anfühlte.
    »Ich wünschte mir, dass das so wäre. Ich denke eher«, antwortete Franziska langsam, »dass sich die Magmakammer als solche angehoben hat und nun viel näher am Seeboden liegt. Das ganze Grundwasser heizt sich dadurch auf. In ein paar Wochen, spätestens in zwei Monaten kocht der gesamte See.«
    »Wie äußert sich solch eine heiße Stelle im See?«, erkundigte sich Joe.
    Franziska überlegte kurz. »Man spürt sicher eine Strömung. Das Wasser ist heiß. Blasen steigen vom Grund auf.«
    »Und der Seegrund selbst?«
    »Der fühlt sich warm an, vielleicht sogar heiß. Dort entstehen Geysire und heiße Quellen.«
    Joe zuckte zusammen. Das war genau das, was er im See erlebt hatte. Er verstand augenblicklich, dass das Wrack direkt neben einem solchen Geysire ruhen konnte. Ein Geysir, dieses eigentlich harmlose Naturphänomen – überall sonst eine Touristenattraktion – konnte hier, direkt unter dem Flugzeug, der Zünder sein, der den Weltuntergang auslöste.
    Die Rechnung hätte selbst ein Grundschüler anstellen können: tödliche Bakterien, die sich bei großer Hitze explosionsartig vermehren, plus eine Unterwasserquelle, besser: mehrere, ringförmig im See angeordnet, die wie ein Geysir kochend heißes Wasser ausspucken. Das Ergebnis der Gleichung: eine potenzielle Katastrophe.

5
    Endlich gab es eine gute Nachricht, eigentlich die beste, die es in der Situation geben konnte: ein Verdienst von Andrew Neal, der in einem kleinen Motorboot mehrere Stunden lang über den See in regelmäßigen Linien, die am Ende ein imaginäres engmaschiges Gitternetz bildeten, hin- und hergefahren war, das Side-Scan-Gerät an einer Leine hinter sich herziehend. Er hatte so den gesamten Seeboden in einer Auflösung von zehn Zentimetern kartiert, weil klar geworden war, dass die Echolotlokalisierungen und Stichproben viel zu unzulänglich waren. Die Messungen ergaben auf dem Computerbildschirm ein klares topographisches Relief des Seebodens in 3-D. Wenn immer er eine interessante Stelle fand, konnte er sie mit der Maus heranzoomen, um sie näher zu untersuchen. Der Grund des Laacher Sees war kein plattes Plateau, er wies Schründe auf, Miniaturcanyons, Hügel und Bodendellen. Man hatte alte Kühlschränke darin versenkt, ausgebrannte Autos, alte Silos, dazu kamen Baumstämme, die, vom Sturm entwurzelt, auf dem Seegrund ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten. Und all diese Bodenmerkmale und künstlichen und natürlichen Objekte lagen in einer Schlammschicht begraben, die sein Side-Scan-Sonar je nach deren Beschaffenheit mal gut, mal kaum und mal überhaupt nicht zu durchdringen vermochte.
    Das Echolot ermöglichte es, massige von weichen Objekten zu unterscheiden, der Side-Scan lieferte zusätzlich wertvolle Informationen über das ungefähre Aussehen der Gegenstände. Beide waren dennoch anfällig für Luft- und Gasblasenaggregationen,die im See so selten nicht vorkamen, und Dichteunterschiede zwischen unterschiedlichen Wasserschichten. Die Interpretation der erfassten Daten erforderte also einen gewieften Fachmann.
    Andrew Neal fand bei dieser zweiten Suche über dreißig Ziele, die in Frage kamen und die sich zum größten Teil mit den Orten deckten, die er bereits bei seiner Echolotsuche aufgespürt hatte. Jede dieser Stelle nahm er genau unter die Lupe. Er wusste, was in diesem Falle von seinen analytischen Fähigkeiten abhing.
    Andrew Neal hatte auf diese Weise nach einer intensiven Auswertung aller Sonardaten drei Stellen markiert, an denen das Wrack der abgestürzten Halifax liegen musste. Dort und nirgendwo anders. Die erfolgversprechendste Stelle markierte er mit einem dicken roten Kreuz. Diese drei Orte waren viel eindeutigere Ziele als das Kreuz, zu dem Joe getaucht war, als man ihn angegriffen hatte. Neal vermutete mittlerweile, dass es sich dabei um ein Autowrack

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