Die Lavendelschlacht
unseren Kindern und Enkeln davon erzählen ...
»Ob ich was will?«
Wahrscheinlich hatte ich vor Aufregung etwas genuschelt. »Willst du mich heiraten?«, wiederholte ich deshalb noch einmal betont deutlich und akzentuiert.
»Äh, wie meinst du das?« Offenbar doch kein akustisches Problem. Das Lächeln erstarb auf meinen Lippen. Ja, Herr im Himmel, so schwer zu kapieren war das nun wirklich nicht. Oder musste ich ihn erst bei einem Deutschkurs anmelden, damit er diese simple Frage verstand?!
Nachdenklich stierte Thomas vor sich hin. Ich konnte sehen, dass es hinter seiner Stirn arbeitete. Mein Ärger verflog. Im wirklichen Leben lief nun mal nicht alles so romantisch ab wie in einem dieser Hollywood-Schmachtfetzen. Vielleicht fühlte Thomas sich überrumpelt. Oder in seiner Ehre als Mann gekränkt. Tief in ihrem Inneren waren die Kerle doch alle Mimosen, mein Freund machte da sicher keine Ausnahme.
»Ich weiß, normalerweise fragt der Mann. Aber ich dachte, nun ja, ich dachte ...« Hilflos brach ich ab. Was? Was hatte ich gedacht? Dass er sich freuen würde? Offensichtlich war ich über das Ziel hinausgeschossen.
Thomas griff nach meiner Hand und streichelte sie mechanisch. »Annette, ich find’s völlig o.k., wenn die Frau den Antrag macht. Ehrlich.«
Mir fiel ein dicker Stein vom Herzen. »Toll, dann ist doch alles in Ordnung. Du musst nur noch ja sagen, fürs Protokoll.«
»Süße, so einfach ist das nun auch wieder nicht. Natürlich möchte ich dich heiraten.« Davon ging ich aus. Aber warum zierte er sich dann bitte schön so? Und da heißt es immer, Frauen würden die Dinge unnötig kompliziert machen ... Um Entschuldigung heischend schaute er mich an. Ich spürte, gleich kam das Aber. »Nur eben jetzt noch nicht.«
»Wann denn dann?« Ich hatte nicht vor, ihn gleich nächste Woche am Schlafittchen vor den Traualtar zu schleifen. Wie ich von Frauke wusste, brauchte man viel Zeit, um so ein Fest vorzubereiten. Und außerdem war eine Hochzeit im Frühjahr oder Sommer sowieso viel schöner. Wir könnten dann bei Sonnenschein in einer urigen Scheune feiern.
Thomas fuhr sich durch seine verwuschelten Haare. »Was weiß ich. Vielleicht in einem Jahr, in zwei Jahren oder –«
Mit einem Schlag zerplatzten meine Träume wie eine Seifenblase. »Gar nicht?«, unterbrach ich ihn barsch und entriss ihm meine Hand.
»Blödsinn! Jetzt sieh doch nicht alles gleich wieder so negativ. So ein wichtiger Schritt will gut überlegt sein. Das sollte man nicht übers Knie brechen. Denk nur an die hohe Scheidungsrate, jede dritte Ehe in Deutschland geht in die Brüche, und das ist nicht bloß trockene Statistik. Mensch, Annette, meine Eltern haben sich getrennt, als ich gerade mal zehn war.«
Schlimmer hätte er mich gar nicht kränken können. Scheidungsrate gut und schön – aber dass er jetzt auch noch seine Mutter mit ins Spiel brachte, war ja wohl der absolute Gipfel! Ich fand es bewundernswert, dass sein Vater es mit dieser alten Giftspritze überhaupt so lange ausgehalten hatte. An seiner Stelle wäre ich schon viel früher nach Australien getürmt. Wie kam Thomas bloß auf die Idee, zwischen uns und seinen Eltern eine Parallele zu ziehen! Das ließ ja tief blicken ...
»Du bist dir also nicht sicher, ob ich die Richtige für dich bin? Du bist dir nicht sicher. Ist es das?« Der Kloß in meinem Hals schwoll beängstigend schnell an, Bald würde er die Größe eines Tennisballs erreicht haben.
»Uns drängt doch niemand. Oder«, er fixierte meinen nackten Bauch, »bist du etwa schwanger?«
Plötzlich war mir meine Blöße peinlich. Thomas hatte mich schon tausendmal nackt gesehen, aber in dieser Situation fühlte ich mich ohne den schützenden Stoff noch verletzlicher. Ich raffte die Bluse über dem Busen zusammen und versuchte mit zitternden Fingern, die Knöpfe wieder zu schließen.
»Nein, ich bin nicht schwanger. Leider.«
Thomas sah ungeheuer erleichtert aus. Das machte mich wütend. »Ich dachte, wir waren uns darüber einig, dass wir Kinder haben wollen. Aber da hab ich mich offensichtlich getäuscht.« »Kinder sind toll. – Irgendwann. Verflixt, was soll denn dieses ganze Theater?!« Seine Stimme wurde immer lauter. »Wir sind doch noch so jung. Lass uns doch erst mal unsere Freiheit genießen.«
Wollte der mich verschaukeln? Wir waren schließlich keine pubertierenden Teenager mehr. Thomas hatte sogar noch drei Jahre mehr auf dem Buckel als ich. Sollten seine Kinder später mal »Opa« zu ihm
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