Die Lavendelschlacht
Augen, die Haare klebten platt an meinem Kopf, meine Haut wirkte fahl und fleckig. Bei diesem Anblick kamen mir erneut die Tränen. Ein hartes Stück Arbeit wartete auf mich.
Unter der Dusche versuchte ich, mir die Schönheitstipps unzähliger Frauenzeitschriften, die im Laufe der Jahre durch meine Hände gewandert waren, in Erinnerung zu rufen. Aber keines der Aschenputtel auf den berühmt-berüchtigten Vorher-Fotos hatte auch nur annähernd so zombiehaft ausgesehen wie ich. Und dabei war ich davon überzeugt, dass man die armen Frauen zwecks Steigerung des Vorher-Nachher-Effekts absichtlich verschandelte. Die Mühe hätten sie sich bei mir sparen können, Buhu! Jedes Knitterfältchen und jeder Augenring waren echt.
Hier half nur eins: Nicht kleckern, sondern klotzen! Ganz gegen meine Gewohnheit griff ich tief in die Farbtöpfe und begann in mühsamer Kleinarbeit an meinen Blessuren herumzuspachteln. Obwohl jeder Gebrauchtwagenhändler für das, was ich mit meinem Gesicht anstellte, sofort eine Klage am Hals gehabt hätte, fand ich den Erfolg eher mäßig. Aus dem Spiegel starrte mir eine traurige Clownsfratze entgegen.
Am liebsten wäre ich mit einer Papiertüte über dem Kopf zur Arbeit gegangen. Ich ignorierte, dass es draußen wie aus Kübeln goss, und verbarg meine Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille. Es musste ja nicht jeder auf den ersten Blick sehen, wie es um mich bestellt war. Und wenn mich die Nachbarn für ein versoffenes Frauenzimmer hielten, das zu tief ins Glas geschaut hatte – umso besser. Die Wahrheit fand ich weitaus beschämender!
Ich riss Linus aus seinen süßen Hundeträumen. Nachdem er brav sein Geschäft verrichtet hatte, verfrachtete ich ihn samt seiner Schmusedecke auf den Rücksitz meines Autos. Ich musste mich beeilen, denn die morgendlichen Restaurierungsarbeiten hatten wertvolle Zeit gekostet. Aber es war wie verhext! Die ganze Welt – einschließlich sämtlicher Ampeln in und um Düsseldorf – schien sich gegen mich verschworen zu haben.
Als ich eine halbe Stunde später in der Redaktion ankam, war die Krabbelgruppe, wie Josch unsere wöchentliche Redaktionssitzung getauft hatte, bereits in vollem Gange. Mist, ausgerechnet heute musste ich zu spät kommen! Ich huschte in den Konferenzraum und versuchte mich so unauffällig, wie es auf zwölf Quadratmetern möglich ist, an meinen Platz zu schleichen. Die Mühe hätte ich mir sparen können.
Bernd schaute auf die Uhr. »Ah, Annette, schön, dass du Zeit für uns gefunden hast.« Seine Stimme triefte vor Sarkasmus. Unpünktlichkeit war für den Boss eine Todsünde und kam gleich hinter fehlerhafter Orthographie.
»Tut mir Leid, ich weiß, ich bin zu spät.« Ich setzte ein zerknirschtes Gesicht auf, was mir in Anbetracht der Lage nicht besonders schwer fiel.
»Dem Glücklichen schlägt keine Stunde«, deklamierte Frauke grinsend.
Konnte der liebe Gott nicht ein Einsehen haben und den Boden unter mir auftun?!
»Muss ja ’ne heiße Nacht gewesen sein«, ulkte nun auch noch Josch, auf meine Sonnenbrille deutend. »Hätte ich dem Häuslebauer gar nicht zugetraut. Oder trägst du die Brille neuerdings als modisches Accessoire?«
»Apropos Mode. Mona, was ist mit den Bildern von der Modenschau?«, machte Bernd dem Geplänkel energisch ein Ende. Ich war ihm ausgesprochen dankbar dafür, denn ich verspürte nicht das geringste Bedürfnis, vor versammelter Mannschaft einen Seelenstriptease zu veranstalten.
Mona schob Bernd einen Packen Fotos zu. »Das Labor hat die Abzüge vorhin vorbeigebracht.« Meine Freundin war Fotografin, und zwar mit Leib und Seele. Als wir uns kennen gelernt hatten, absolvierte ich gerade mein Volontariat bei einer großen Tageszeitung, Mona arbeitete für die Konkurrenz. Ach nein, für einen Mitbewerber, wie es ja jetzt so schön heißt. Jedenfalls rückten wir eine Weile immer bei den gleichen Veranstaltungen an, und so kamen wir uns auf der Jubiläumsfeier zum sechzigjährigen Bestehen des hiesigen Männergesangvereins näher. Wir schlossen Wetten darüber ab, wie viele Gründungsmitglieder wohl in dem Chor mitbrummten. Wir erfuhren es nie, doch die gemeinsam durchgestandenen Qualen legten den Grundstein für unsere Freundschaft. Später hatte sie mich dann zu Diabolo geholt, wo wir zwar auch noch gelegentlich zusammen litten, aber bei weitem nicht mehr so schlimm.
Während Bernd die Fotos begutachtete, nutzte Josch die Unterbrechung, um mir eine Tasse Kaffee einzuschenken. Dankbar nickte ich ihm
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