Die Lavendelschlacht
Papierhandtücher.
Ich schüttelte stumm den Kopf.
»Ach komm, das ist doch nicht so schlimm.« Sie tätschelte meinen Arm. »Meine Cousine, du weißt schon, diese kleine Blonde mit dem Schmollmund, die hat auch nur im ganz kleinen Kreis geheiratet. Ohne Kirche, bloß Standesamt. Du wirst sehen, das kann trotzdem sehr schön sein.«
Mona hatte mich offenbar falsch verstanden. »Gar keine Hochzeit!«, stieß ich hervor und kämpfte erneut mit den Tränen. Herrje, wenn das so weiterging, würde ich noch die ganze Stadt unter Wasser setzen.
Ihr klappte fast die Kinnlade herunter. »Schöne Scheiße!« Die Gabe, die Dinge so treffend auf den Punkt zu bringen, war eine der Eigenschaften, die ich am meisten an meiner Freundin liebte.
»Krisenrat. Heute Abend um sieben im Casablanca«, entschied Mona. »Ich sag Frauke Bescheid.«
Als ich um kurz nach sieben mit Mona an meiner Seite und Linus im Gefolge das Casablanca betrat, ließ die Anspannung des Tages endlich etwas nach. Wie in Trance hatte ich meine Arbeit erledigt. The show must go on. Vage konnte ich mich daran erinnern, dass ich wie eine Geisteskranke auf der Tastatur meines Computers herumgehackt hatte. Bloß nicht an den vergangenen Abend denken! Bloß nicht an die geplatzte Hochzeit denken! Bloß nicht an diesen verfluchten Mistkerl denken! Keinen Schimmer, wovon der Artikel, den ich am Nachmittag zusammengeschustert hatte, handelte. Bernd würden die Haare zu Berge stehen, denn meine Rechtschreibung war an diesem Tag vermutlich nicht viel besser als mein Erinnerungsvermögen.
Auf der Suche nach einem freien Tisch ließ ich meinen Blick umherwandern. Im Hintergrund dudelte Musik, ein alter Hit von den Stones. Ganz automatisch summte ich mit. Ich mochte die Atmosphäre der kleinen Kneipe, eigentlich war es sogar mehr ein Bistro. Der blau-gelb gemusterte Stoff der Vorhänge passte toll zu den schlichten, hellen Holzmöbeln und dem abgetretenen Parkettboden. In jedem Winkel standen Pflanzen herum, und die Wände waren bis auf den letzten Zentimeter mit Bildern zugepflastert. Vom kitschigen Ölgemälde eines Sonnenblumenfelds bis zur Aktfotografie eines absolut untalentierten Künstlers – alles, was das Prädikat »geschmacklos« verdiente, war hier vertreten. Doch zusammen ergaben diese »Meisterwerke« eine einzigartige, originelle Komposition.
Das Casablanca war unter der Woche immer gut besucht, aber Freitagabend einen Tisch zu ergattern war aussichtslos. Deshalb setzten wir uns im Gänsemarsch Richtung Theke in Bewegung. Mona vorneweg.
Leicht belustigt stellte ich fest, dass ihr Auftauchen wie üblich für Unruhe unter den Gästen sorgte. Mona fiel auf. Sie war unglaublich attraktiv, wenn auch nicht im klassischen Sinne. Ihr blasses, schmales Gesicht, das von einer roten Wuschelmähne umrahmt wurde, schien nur aus Augen zu bestehen, dunkle Schokoladenaugen, so süß und zugleich herb wie Zartbitterschokolade. Zudem scherte Mona sich einen Dreck um die angesagten Modetrends, sondern kreierte ihren eigenen Stil. Die flippigen, manchmal auch etwas gewöhnungsbedürftigen Klamotten, die sie trug, stöberte sie meist auf dem Flohmarkt, in Secondhandläden oder im Ausland auf. Heute hatte sie einen giftgrünen Poncho an, der ihre sensationell gute Figur zwar nur erahnen ließ, jedoch trotzdem seine Wirkung nicht verfehlte.
Die Männer gafften und sabberten vor Entzücken, während ihre Begleiterinnen die rot lackierten Krallen wetzten, allzeit bereit, ihren »Besitz« gegen Übergriffe jeder Art zu verteidigen. Vergessen waren Geiz, Schlampigkeit und Trägheit des Herzallerliebsten. Denn wehe es drang so ein »gut aussehendes Flittchen« in ihr Revier ein, dann wurde aus »Blödmann« und »Schluffi« ganz plötzlich »Darling«, »Herzilein« und »Schnuckiputz«. Das Spiel kannte ich mittlerweile zur Genüge, trotzdem amüsierte es mich jedes Mal aufs Neue.
Wir hatten gerade unser erstes Pils bestellt, da stieß Frauke zu uns. »Entschuldigt die Verspätung«, presste sie außer Atem hervor, »zu dumm, der Babysitter ist krank geworden.«
»Und wer kümmert sich jetzt um den kleinen Rotzlöffel?«, fragte Mona grinsend. Sie dachte mit Sicherheit genau das Gleiche wie ich: Mit vierzig Grad Fieber und Schüttelfrost im Bett zu liegen war garantiert das kleinere Übel. Tillmanns Verschleiß an Babysittern war immens. Sie kamen, gingen und kamen nie wieder. Die Einzige, die tapfer die Stellung hielt, war die liebe Omi. Aber da die alte Dame Tillmann nach
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