Die lebenden Puppen des Gerald Pole
Das konnte an seinem feuerroten Gesicht liegen und den Augen mit dem bösen Blick.
Andere Figuren gab es auch. Besonders die schönen jungen Frauen, fast noch Mädchen. Sie waren diejenigen, die der Kasper mochte, die er dann auch aus gefährlichen Lagen rettete. Frauen mit netten Gesichtern, rosigen Wangen und strahlenden Augen. Immer waren die Lippen zu einem erwartungsvollen Lächeln verzogen.
Es gab auch andere Personen, die standen in einem Regal neben der Tür. Bösewichte, Polizisten, Kinder, auch ältere Menschen und welche, die vom Alter her dazwischen lagen und auch Eltern sein konnten.
Ein paar Kulissen gab es auch. Es waren die bemalten Hintergründe, die hier ebenfalls lagerten.
Und es war noch etwas vorhanden.
In der Mitte des Raumes stand ein Schreibtisch. Davor gab es einen Stuhl. Auf der Platte des Schreibtisches stand ein Laptop. Und rechts neben ihm lagen zwei Vampirpuppen. Sie sahen auf der einen Seite lächerlich aus, auf der anderen aber zum Fürchten. Aus ihren fast lippenlosen Mäulern ragten zwei Vampirzähne hervor wie die Spitzen von Bleistiften. Schwarz umrandete Augen, lange Nasen und dünne Finger.
Gerald Pole blieb neben dem Schreibtisch stehen. Er war nachdenklich geworden und dachte jetzt darüber nach, ob er die Puppen dort hingelegt hatte. Daran erinnern konnte er sich nicht mehr. Und jetzt wollte er sich auch keine weiteren Gedanken darüber machen.
Das hier war seine Welt. Und doch kam sie ihm anders vor. Irgendwas stimmte nicht mehr. Es hatte sich nichts verändert, und dennoch war etwas anders geworden. Es war schlecht zu beschreiben, nur eben zu fühlen, aber es war vorhanden und keine Einbildung.
Gerald Pole fing wieder zu schwitzen. Er musste an den Teufel denken und bekam daraufhin noch feuchtere Hände. In seinem Kopf tuckerte es. Der Schweiß breitete sich nicht nur auf der Stirn aus, auch sein Herz schlug schneller.
Gerald Pole verspürte das Bedürfnis, zu flüchten. Er tat es nicht. Er drehte sich nur halb um – und schaute in einen Spiegel, der länglich und schmal war und in einer Lücke zwischen zwei Regalen hing.
Pole sah sich selbst.
Seine Farbe war schwarz. Sogar in dieser Nacht. Er trug einen schwarzen Schlafanzug, den er fast bis zum Hals geschlossen hatte.
Seine Haut im Gesicht war recht bleich. Ein Zeichen, dass er den Keller lieber mochte als die Sonne. Dunkle Augen, deren Pupillen aussahen wie schwarze Perlen. Ein stechender Blick, lange Koteletten, die in einen Bart mündeten, der den Mund umgab und erst unter dem Kinn aufhörte.
Man konnte bei ihm auch vor einer hohen Stirn sprechen. Die ebenfalls schwarzen Haare bedeckten nicht den gesamten Kopf. Er war ein Mensch, der seinen Zuschauern und Zuhörern Angst einjagen konnte, aber bei Kindern einfach genau das Gegenteil davon erreichte. In seiner Brust befanden sich zwei Seelen.
Recht lange betrachtete er sich selbst. Er wollte nachdenken, und zwar auch darüber, warum er so lange vor dem Spiegel stand. Das gelang ihm nicht. Da gab es etwas, was sein Denken blockierte. Er konnte sich selbst keine Antwort auf die Frage geben, aber es war eben vorhanden, und das kannte er nicht. Es war ihm neu, und plötzlich kam ihm der Gedanke, dass er die Kontrolle über sich selbst verlieren könnte und eine andere Macht die Regie übernahm.
Er sagte nichts. Er starrte nur. Aber er sah, dass sich sein Mund wie von allein öffnete, denn er selbst hatte nichts dazu getan. Dass er so schaute, das hatte seinen Grund, denn in der Spiegelfläche erlebte er die Veränderung. Er sah sie plötzlich nicht mehr zweidimensional. Sie hatte eine gewisse Tiefe bekommen, sodass er direkt in den Spiegel hineinschauen konnte.
Tiefe schon, aber nicht leer.
Genau das stellte er mit Erstaunen fest. Es war eigentlich unmöglich, aber der Spiegel hatte sich tatsächlich verändert, und da war bei ihm das große Staunen angesagt.
Gerald Pole hatte den Eindruck, dass der Spiegel zu einer Tür geworden war, die sich für ihn geöffnet hatte. Das war nicht zu fassen, und doch sah er es mit seinen eigenen Augen.
Warum?
Er wusste es nicht, aber er spürte das Zucken in seiner linken Hand. Jemand, der unsichtbar war, schien sie angefasst zu haben und dafür zu sorgen, dass sie von allein – nein, nicht von allein – zuckte.
Pole hob sie an.
Es war eine Bewegung, die ihm normal leicht fiel. Eigentlich war es wie immer, und doch war es anders, denn als er die Spiegelfläche berührte, da traute er seinen Augen nicht.
Die Hand
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