Die lebenden Puppen des Gerald Pole
Besucher die Initiative überlassen.
Es schien, als hätte der andere seine Gedanken erraten, denn er sprach ihn an.
»Willst du mich nicht sehen?«
»Doch, ja …«
»Warum machst du dann kein Licht?«
Pole schluckte. Dabei suchte er nach einer Antwort, wurde verlegen und musste sogar lachen, was alles anders als echt klang. Schließlich traute er sich, das Licht der Nachttischleuchte einzuschalten. Es war kein unbedingt heller Schein, und die Lampe gehörte auch nicht zu den modernen Gerätschaften, aber es reichte aus, um in diesem kleinen Zimmer den größten Teil der Dunkelheit zu vertreiben.
Die Helligkeit war da, nur der Teufel nicht. Gerald Pole hatte so stark damit gerechnet. Er hatte sich sogar leicht aufgesetzt, starrte nach vorn, wo der Teufel eigentlich hätte stehen müssen – und sah nichts, wirklich gar nichts, was mit ihm in einen Zusammenhang hätte gebracht werden können.
Er wollte fluchen, was ihm aber auch nichts eingebracht hätte. Und so starrte er weiterhin auf das leere Viereck der offenen Schlafzimmertür. Aus dieser Richtung hatte ihn die Stimme erreicht.
Doch jetzt …?
Er wollte lachen, er wollte aufstehen, er wollte alles für einen Irrtum halten, aber nichts von dem tat er. Gerald Pole blieb im Bett sitzen und starrte nach vorn.
Da war nichts.
Ein Irrtum.
Man hatte ihn an der Nase herumgeführt. Aber derjenige, der dies getan hatte, der hatte sich bei ihm sehr gut ausgekannt, sonst hätte er sich mit diesem Thema gar nicht beschäftigt.
War er nicht doch da?
Pole traute sich nicht, aufzustehen. Er wollte zunächst abwarten.
Kam Zeit, kam Rat …
In diesem Fall kam etwas anderes. Nicht in seinem Schlafzimmer geschah es, sondern im Raum hinter der offenen Tür. Das Zimmer war doch nicht so leer, wie er gedacht hatte. Dort hielt sich jemand auf.
Er starrte auf die Tür. Da hinten im Raum, es war sein Arbeitszimmer, entstand eine Bewegung. Ein knappes Zucken nur, mehr nicht. Ausgerechnet dort, wo er seine Schätze aufbewahrte, die das Wichtigste in seinem Leben waren.
Die Bewegung blieb. Sie wurde sogar vor diesem anderen Hintergrund immer deutlicher. Dort stach sie wirklich vom Hintergrund ab, und genau das war Wasser auf Geralds Mühle.
Also doch.
Es gab jemanden.
Aber war es der Teufel?
Er hatte sich oft genug Gedanken über ihn gemacht, zudem lag es an seiner Berufung, sich über den Satan Gedanken zu machen.
Viele Menschen hatten sich ein Bild von ihm gemacht. Der Bocksbeinige mit dem Tierkörper, dem langen Schwanz am Rücken, dem dreieckigen Gesicht, den Hörnern, die aus der breiten Stirn wuchsen, so stellten sich die Menschen den Teufel vor, und ebenso hatte Pole gedacht, auch wenn er nicht ganz davon überzeugt gewesen war.
Und jetzt sollte er ihn zu Gesicht bekommen!
Bisher hatte ihn die Anspannung fast gelähmt. Das würde bald vorbei sein. Sie würde platzen wie eine dünne Blase, und nach drei, vier Sekunden erkannte er die Wahrheit.
Die Wahrheit?
Er wollte fast schreien, als er sah, was ihm da präsentiert wurde. Das sollte der Teufel sein? Diese für ihn fast lächerliche Gestalt? Nein, niemals, das war nicht der Teufel, denn diese Gestalt hatte mit ihm nichts zu tun!
Was er sah, konnte man eher mit einem Engel vergleichen, so lächerlich es sich anhörte.
Er sah eine recht helle Gestalt, die nur vor der Brust einen Streifen Stoff trug und dort, wo bei einem Menschen der Slip sitzt, ebenfalls. Lange Haare wuchsen um einen Kopf, dessen Gesicht sehr bleich war. Und es war nicht genau zu unterscheiden, ob die Gestalt nun eine Frau war oder ein Mann.
Aber sie war trotzdem etwas Besonderes, denn hinter ihrem Rücken schaute etwas über den Schultern hervor. Es waren zwei helle und sehr zart wirkende Gegenstände, die Pole erst beim zweiten Hinschauen richtig erkannte.
Sie hatten eine bestimmte Form. Die konnte nicht wegdiskutiert werden, auch wenn Gerald Pole es zunächst nicht glauben wollte, was er da sah.
Es waren zwei Flügel, die sich hinter dem Rücken ausgebreitet hatten.
Pole hielt den Atem an. In seinem Kopf bewegten sich zahlreiche Gedanken, die er erst mal sortieren musste. Was man ihm hier präsentierte, war ungeheuerlich, aber war es deshalb auch falsch?
Nein und nochmals nein, denn er wusste genau, wer der Teufel mal gewesen war. Ebenfalls ein Engel. Nur war er dann größenwahnsinnig geworden, er hatte so werden wollen wie Gott und war in die tiefsten Tiefen der Verdammnis gestoßen worden.
Hinzu kam noch etwas. Der Teufel
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