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Die Lebensbeschreibung der Erzbetruegerin und Landstoerzerin Courasche

Die Lebensbeschreibung der Erzbetruegerin und Landstoerzerin Courasche

Titel: Die Lebensbeschreibung der Erzbetruegerin und Landstoerzerin Courasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
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sonst reich war, konnte auch reiche und schöne und vornehmlich (welches man damals noch in etwas beobachtete) auch ehrliche Jungfrauen zu Weibern haben, also daß sie nicht bedorften, sich an eine verlassene Soldatenhur zu henken. Hingegen waren etliche, die entweder Banquerot gemacht hatten oder bald zu machen gedachten; die wollten zwar mein Geld, ich wollte aber darum sie nicht. Die Handwerksleut waren mir ohnedas zu schlecht. Und damit blieb ich ein ganz Jahr sitzen, welches mir länger zu gedulden gar schwer und ganz wider die Natur war, sintemal ich von den guten Sachen, die ich genoß, ganz kützelig wurde. Denn ich brauchte mein Geld, so ich hie und dort in den großen Städten hatte, um den Kauf- und Wechselherren zuzeiten beizuschießen, daraus ich so ein ehrlich Gewinnchen erhielt, daß ich ziemlich gute Tag davon haben konnte und nichts von der Hauptsumma verzehren dorfte. Weil es mir dann an einem andern Ort mangelte und meine schwachen Beine diese gute Sache nicht mehr ertragen konnten oder wollten, machte ich mein Geld per Wechsel auf Prag, mich selbst aber mit etlichen Kaufherren hernach und suchte Zuflucht bei meiner Kostfrauen zu Bragoditz, ob mir vielleicht alldorten ein besser Glück anstehen möchte. Dieselbe fand ich gar arm, ärmer weder ich sie verlassen, denn der Krieg hatte sie nit allein sehr verderbt, sondern sie hatte auch allbereit vor dem Krieg mit mir, und nit ich mit ihr gezehret. Sie freuete sich meiner Ankunft gar sehr, vornehmlich als sie sah, daß ich nicht mit leerer Hand angestochen kam; ihr erstes Willkommenheißen aber war doch lauter Weinen; und indem sie mich küßte, nennete sie mich zugleich ein unglückseliges Fräulin, welches schwerlich würde sein Leben und Stand seinem Herkommen gemäß führen mögen, mit fernerem Anhang, daß sie mir fürderhin nit mehr wie vor diesem zu helfen, zu raten und vorzustehen wisse, weil meine besten Freund und Verwandten entweder verjagt oder gar tot wären.
    Und überdas sagte sie, würde ich mich schwerlich vor den Kaiserlichen dörfen sehen lassen, wann sie meinen Ursprung wissen wollten.
    Und damit heulete sie immer fort, also daß ich mich in ihre Rede nicht richten, noch begreifen konnte, ob es gehauen oder gestochen, gebrannt oder gebohrt wäre. Da ich sie aber mit Essen und Trinken (denn die gute Tröpfin mußte den jämmerlichen Schmalhansen in ihrem Quartier beherbergen) wiederum gelabt und also zurecht gebracht, daß sie schier ein Tummel hatte, erzählte sie mir mein Herkommen gar offenherzig und sagte, daß mein natürlicher Vatter ein Graf und vor wenig Jahren der gewaltigste Herr im ganzen Königreich gewesen, nunmehr aber wegen seiner Rebellion wider den Kaiser des Lands vertrieben worden und, wie die Zeitungen mitgebracht, jetzunder an der türkischen Pforten sei, allda er auch sogar seine christliche Religion in die türkische verändert haben solle. Meine Mutter, sagte sie, sei zwar von ehrlichem Geschlecht geboren, aber ebenso arm als schön gewesen. Sie hätte sich bei des gedachten Grafen Gemahlin als Staatsjungfer aufgehalten, und indem sie der Gräfin aufgewartet, wäre der Graf selbst ihr Leibeigener worden und hätte solche Dienste getrieben, bis er sie auf einen adeligen Sitz verschafft, da sie mit mir niederkommen sei; und weil eben damals sie, meine Kostfrau, auch einen jungen Sohn entwöhnet, den sie mit desselbigen Schlosses Edelmann erzeugt, hätte sie meine Säugamme werden und mich folgends zu Bragoditz adelig auferziehen müssen, worzu dann beides Vatter und Mutter genugsame Mittel und Unterhaltung hergaben. »Ihr seid zwar, liebes Fräulin«, sagte sie ferner, »einem tapferen Edelmann von euerem Vatter versprochen worden, derselbe ist aber bei Eroberung von Pilsen gefangen und als ein Meineidiger neben andern mehr durch die Kaiserlichen aufgehenkt worden.«
    Also erfuhr ich, was ich vorlängst zu wissen gewünscht, und wünschte doch nunmehr, daß ichs niemal erfahren hätte; sintemal ich so schlechten Nutzen von meiner hohen Geburt zu hoffen. Und weil ich keinen andern und bessern Rat wußte, so machte ich einen Accord mit meiner Säugamm, daß sie hinfort meine Mutter und ich ihre Tochter sein solle. Sie war viel schlauer als ich, derowegen zog ich auch auf ihren Rat mit ihr von Bragoditz auf Prag; nicht allein zwar, daß wir den Bekannten aus den Augen kämen, sondern zu sehen, ob uns vielleicht alldorten ein anders Glück anscheinen möchte. Im übrigen so waren wir recht für einander, nicht

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