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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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nannte, überfiel sie eine derartige Schwäche, daß man sie besinnungslos niederlegen mußte. Sie nahm an dem Damm und den Verpfändungen ebenfalls Anteil und fragte täglich, ob sie gut hielten. Schon waren einige Balken lose geworden; allein ihr Vetter log und sprach nur von zwei-drei Brettern, welche die Nägel verloren hätten. Als sie eines Morgens allein geblieben, war sie aus den Decken geschlüpft, um die hohe Flut von fern gegen die Gebälke schlagen zu sehen; auch diesmal hatten sie die wiederkehrenden Kräfte im Stich gelassen; sie wäre gefallen, wenn Veronika nicht rechtzeitig in das Zimmer gekommen wäre, um sie noch mit ihren Armen aufzufangen.
    »Traue dir nicht zu viel zu! Ich binde dich an, wenn du nicht vernünftig bist«, neckte Lazare wiederholt.
    Er bestand noch immer darauf, sie zu überwachen; doch von der Müdigkeit übermannt, schlief er in dem Armstuhl ein. Zuerst hatte er die lebhafteste Freude empfunden, als er sie die ersten Tassen Fleischbrühe hatte trinken sehen. Diese in den jugendlichen Körper zurückkehrende Gesundheit war ein köstliches Ding, eine Erneuerung des Daseins, in welcher er selbst sich aufleben fühlte. Als dann die Gewohnheit der Gesundung ihn übernahm und der Schmerz geschwunden war, hörte er auf, sich ihrer wie einer unerwarteten Wohltat zu freuen. Es blieb in ihm nur eine Abstumpfung zurück, eine nervöse Reizlosigkeit nach dem Kampfe, der wirre Gedanke, daß die Leere von neuem anhob.
    Eine Nacht schlief Lazare fest, als Pauline ihn mit einem Seufzer der Beängstigung emporfahren hörte. Beim schwachen Lichte der Nachtlampe sah sie seine Miene höchlich bestürzt, seine Augen vor Schrecken geöffnet, die Hände wie zu einer Beschwörung verflochten. Er stotterte abgebrochene Worte.
    »Mein Gott! ... Mein Gott!«
    Besorgt hatte sie sich lebhaft zu ihm gebeugt.
    »Was hast du, Lazare? Leidest du?«
    Diese Stimme ließ ihn erzittern. Man sah ihn also? Er saß verlegen da und konnte nur eine ungeschickte Lüge zusammenbringen.
    »Aber mir ist nichts ... Du klagtest soeben.«
    Die Furcht vor dem Tode begann wieder in seinem Schlafe aufzutauchen, eine grundlose Furcht, wie aus dem Nichts selbst hervorgegangen, eine Furcht, deren eisiger Hauch ihn mit einem heftigen Schauer aus dem Schlafe geschreckt hatte. Mein Gott! Eines Tages müßte man dennoch sterben! Dieser Gedanke stieg in ihm auf und erstickte ihn, während Pauline, die den Kopf wieder auf das Kissen gebettet hatte, ihn mit ihrer Miene mütterlichen Mitleids anschaute.

Fünftes Kapitel.
    Jeden Abend, wenn Veronika das Tischtuch abgenommen hatte, fand im Speisezimmer die nämliche Unterhaltung zwischen Frau Chanteau und Luisen statt, während Herr Chanteau, in die Lektüre seiner Zeitung vertieft, sich begnügte, mit einem Worte auf die seltenen Fragen seiner Gattin zu antworten. Während der ganzen vierzehn Tage, in denen Lazare Pauline in Gefahr geglaubt, war er nicht einmal herabgekommen, um an dem Tische Platz zu nehmen; jetzt speiste er zwar unten, aber beim Nachtisch schon ging er sofort wieder zu der Genesenden. Er war kaum auf der Treppe, so nahm auch Frau Chanteau ihre Klagen vom vorhergehenden Abend wieder auf.
    Zuerst spielte sie die Zärtliche.
    »Armes Kind, er bringt sich um. Es ist wahrhaftig nicht vernünftig, seine Gesundheit so aufs Spiel zu setzen. Seit drei Wochen schläft er nicht mehr ... Seit gestern ist er wieder bleicher geworden.«
    Sie beklagte auch Pauline: Die liebe arme Kleine leide zu sehr, man könne keinen Augenblick oben bleiben, ohne daß sich einem das Herz umwende. Aber nach und nach kam sie auf diese Unbequemlichkeiten zu sprechen, welche diese Kranke im Hause verursachte; alles bleibe in der Luft, es sei unmöglich, einen warmen Bissen zu essen, man wisse nicht mehr, ob man lebe. Hier unterbrach sie sich, um ihren Gatten zu fragen:
    »Hat Veronika wenigstens an dein Malvenwasser gedacht?«
    »Gewiß, gewiß«, antwortete er, über die Zeitung hinweg.
    Dann wandte sie sich, die Stimme senkend, an Luise.
    »Es ist komisch, diese unselige Pauline hat uns nie Glück gebracht. Man sagt, die Leute halten sie für unsern guten Engel! Laß nur, ich weiß, was für Klatschereien im Umlauf sind. In Caen, nicht wahr, Luise, erzählt man sich, daß sie uns bereichert hat. Du kannst offen sprechen, ich mache mir gerade viel aus den bösen Zungen.«
    »Mein Gott, es wird über euch wie über alle Welt gesprochen«, flüsterte das junge Mädchen. »Erst im vergangenen Monat habe ich

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