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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Sie mich nicht mehr haben wollen.« Sie tat, als habe sie ihn nicht gehört, um ihn zu necken. »Meine Tante Leonie hat ein Landhaus gemietet; man findet dort Gesellschaft, einen Strand, wo man wenigstens baden kann ... Leider ist sie so langweilig, meine Tante Leonie.«
    Chanteau lachte schließlich über diese Schelmereien dieses schmeichelnden, großen Kindes. Sein Herz aber schlug, ohne daß er es seiner Frau gegenüber einzugestehen wagte, nur für Pauline, die ihn mit so leichter Hand pflegte. Er vertiefte sich wieder in seine Zeitung, als Frau Chanteau aus ihrem Nachdenken plötzlich wie aus einem Traum erwachte.
    »Ich vergebe ihr nie, daß sie mir meinen Sohn geraubt hat ... Er sitzt kaum eine Viertelstunde bei Tisch. Man spricht sich nur noch im Vorbeilaufen.«
    »Das wird aufhören«, ließ Luise sich vernehmen. »Einer muß doch bei ihr wachen.«
    Die Mutter schüttelte mißbilligend mit dem Kopfe. Sie kniff die Lippen zusammen. Die Worte, die sie scheinbar zurückhalten wollte, quollen trotzdem hervor.
    »Möglich, aber es ist drollig, daß ein junger Mann stets mit einem kranken Mädchen beisammen ist. Ach, ich habe kein Blatt vor den Mund genommen, ich habe gesagt, was ich dachte. Desto schlimmer, wenn etwas Unangenehmes passiert.«
    Angesichts der verlegenen Blicke Luisens fuhr sie fort:
    »Außerdem ist es durchaus nicht gut, diese Stubenluft zu atmen. Er könnte sich leicht mit ihrem Halsleiden anstecken... Diese jungen Mädchen, die anscheinend so gesund sind, haben manchmal allerlei lasterhafte Übel im Blute. Soll ich es dir sagen? Ich halte sie nicht für gesund.«
    Luise fuhr in ihrer sanften Art fort, ihre Freundin zu verteidigen. Sie fand sie so nett. Das war der einzige Beweis, welchen sie dem Vorwurf eines schlechten Herzens und einer schlechten Gesundheit entgegenstellte. Ein Verlangen nach Anstand, nach einem glücklichen Ausgleich ließ sie den rohen Groll der Frau Chanteau bekämpfen, obwohl sie lächelnd diese täglich ihren Haß vom Abend vorher noch überbieten hörte. Sie widersprach, erregt durch die Heftigkeit der Worte, gleichzeitig aber kostete sie, rosig überhaucht, das heimliche Vergnügen, sich bevorzugt zu fühlen, jetzt die Gebieterin des Hauses zu sein. Sie war wie Minouche; sie rieb sich schmeichelnd an den anderen ohne Bosheit, wenn man sie nicht in ihrem Vergnügen störte.
    Nachdem Abend für Abend die nämlichen Redensarten wiedergekaut worden, lief die Unterhaltung auf den langsam ausgesprochenen Beginn des Satzes hinaus:
    »Nein, Luisette, die Frau, die mein Sohn haben müßte...«
    Mit dieser Redensart hob Frau Chanteau an; sie erging sich über die Eigenschaften, die sie von einer vollkommenen Schwiegertochter beanspruchte. Ihre Augen ließen nicht mehr von denen des Mädchens; sie versuchten ihr begreiflich zu machen, was sie nicht sagte. Sie entrollte das genaue Bild einer solchen Schwiegertochter: eine junge, wohlerzogene Person, die bereits die Welt kannte, imstande war, Gesellschaft zu empfangen, eher anmutig als schön, aber vor allem ganz Weib; denn, wie sie sagte, verabscheute sie jungenhafte Mädchen, die unter dem Scheine des Freimuts einfach roh seien. Die Geldfrage dagegen, die einzig den Ausschlag gab, berührte sie nur mit einem Worte: gewiß zähle die Mitgift nicht, aber ihr Sohn habe große Pläne, er könne sich auf keine Heirat einlassen, die ihn ruiniere.
    »Sieh, meine Liebe, hätte Pauline auch keinen Sou gehabt, wäre sie ohne ein Hemd auf dem Leibe in unser Haus gefallen, so hätte die Heirat schon vor Jahren stattgefunden. Aber sage selbst, muß ich nicht zittern, wenn ich sehe, wie das Geld in ihren Händen schmilzt? Wie weit will sie jetzt mit ihren sechzigtausend Franken kommen? Nein, Lazare ist mehr wert als das; ich werde ihn nie einer Tollen hingeben, die am Essen knausert, um sich mit Dummheiten zu Grunde zu richten.«
    »Das Geld gibt nicht den Ausschlag«, sagte Luise, deren Augen sich senkten. »Indes hat man es nötig.«
    Ohne daß noch deutlicher die Rede von Luisens Mitgift gewesen wäre, schienen die zweihunderttausend Franken dort auf dem Tische zu liegen, beleuchtet von dem schlummernden Licht der Hängelampe. Gerade weil sie diese dort sah und spürte, geriet Frau Chanteau so in Fieber; mit einer bloßen Handbewegung schob sie die armseligen sechzigtausend Franken der anderen beiseite und träumte nur noch von der Eroberung der zuletzt Gekommenen mit ihrem ungeschmälerten Vermögen. Sie hatte sehr wohl das plötzlich

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