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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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die Frau eines Notars, die davon sprach, ohne überhaupt etwas Näheres zu wissen, an ihren Platz zurückgewiesen ... Sie können die Leute nicht am Sprechen hindern.«
    Von dem Augenblick an hielt Frau Chanteau nicht mehr an sich. Ja, sie seien die Opfer ihres guten Herzens. Hätten sie vor Paulines Ankunft jemandes bedurft, um ihr Auskommen zu finden? Wo werde diese jetzt sein, in welchem Winkel des Pariser Pflasters, wenn sie nicht in ihre Aufnahme in ihr Haus gewilligt hätten? Es sei wahrhaftig gut, daß die Rede auf ihr Geld gekommen sei: ein Geld, von dem sie persönlich nur zu leiden hätten; ein Geld, das den Ruin in das Haus gebracht zu haben scheine. Denn schließlich sprächen die Tatsachen laut genug; ihr Sohn hätte sich nie in diesen dummen Versuch mit den Algen eingelassen, er hätte nie seine Zeit damit verloren, das Meer an der Zertrümmerung Bonnevilles zu hindern, wenn diese unselige Pauline, die ihm den Kopf verdrehte, nicht gewesen wäre. Desto schlimmer für sie, wenn sie ihre Sous dabei gelassen habe! Der arme Junge habe seine Gesundheit und Zukunft dabei eingebüßt.
    Frau Chanteau erging sich in endlosem Groll gegen die hundertfünfzigtausend Franken, nach denen ihr Schreibsekretär noch fieberte. Es waren die verschlungenen starken Summen, die kleinen noch täglich genommenen und das Loch vergrößernden Sümmchen, die sie so außer sich brachten, als spüre sie darin den bösen Gärstoff, der ihre Ehrlichkeit zersetzt hatte. Heute war diese Zersetzung bereits vollständig; sie verabscheute Pauline um all des Geldes willen, das sie ihr schuldete.
    »Was soll man zu solcher Verstocktheit sagen?« fuhr sie fort. »Im Grunde ist sie entsetzlich geizig und doch die Verschwendung in Person. Sie will zwölftausend Franken für die Bonneviller Fischer, die sich über uns lustig machen, in das Meer werfen, sie füttert die verlauste Kinderschar des Dorfes durch, und ich zittere, auf Ehrenwort, wenn ich vierzig Sous von ihr zu fordern habe. Lege dir das zurecht ... Sie hat trotz ihrer Sucht, alles den anderen zu geben, ein Herz so hart wie ein Felsen.«
    Oft trug Veronika das Tafelgeschirr ab und zu oder brachte den Tee; sie machte sich zu schaffen, hörte zu und erlaubte sich selbst manchmal dazwischen zu reden.
    »Fräulein Pauline, ein Herz wie ein Felsen! Wie kann Madame nur so etwas sagen?«
    Frau Chanteau gebot ihr mit einem strengen Blicke Schweigen. Dann erging sie sich, die Ellbogen auf den Tisch gestemmt, als spreche sie mit sich selbst, in verwickelte Berechnungen.
    »Gott sei Dank, ich habe ihr Geld nicht mehr aufzubewahren, aber ich möchte wohl wissen, was ihr davon übrig bleibt. Gewiß nicht einmal siebenzigtausend Franken ... Rechnen wir einmal ein bißchen: dreitausend Franken bereits für die Probe mit dem Gebälk, wenigstens zweihundert Franken Almosen monatlich und neunzig für die Pension hier. Das geht schnell fort ... Wollen wir wetten, Luischen, daß sie sich ruiniert. Ja, du wirst sie noch auf dem Stroh sehen ... Und wenn sie sich ruiniert, wer will sie haben, was würde sie anfangen, um zu leben?«
    Veronika konnte nicht mehr an sich halten.
    »Ich hoffe wohl, daß Madame sie nicht vor die Tür setzt.«
    »Wie? Was?« erwiderte ihre Herrin wütend, was will uns die da vorsingen! Es ist ganz und gar nicht die Rede davon, jemanden vor die Tür zu setzen. Ich habe niemanden vor die Tür gesetzt ... Ich sage nur, wenn jemand ein Vermögen geerbt hat, scheint mir nichts dümmer als es zu verschwenden und dann anderen zur Last zu fallen ... Geh in deine Küche und kümmere dich um deine Angelegenheiten!«
    Die Magd entfernte sich mit einigen, vor sich hingebrummten Einreden. Während Luise den Tee eingoß, herrschte Schweigen. Man vernahm nur noch das leise Knistern der Zeitung, in welcher Chanteau selbst die Anzeigen las. Manchmal tauschte der letztere mit dem jungen Mädchen ein paar Worte aus.
    »Geh, du kannst noch ein Stück Zucker hinzutun ... Hast du endlich einen Brief von deinem Vater erhalten?«
    »Ach! Niemals!« antwortete sie lachend. »Aber Sie wissen, wenn ich Sie belästige, kann ich abreisen. Sie sind schon genug durch die kranke Pauline belästigt ... Ich wollte schon fort, aber Sie selbst haben mich zurückgehalten.«
    Er versuchte, sie zu unterbrechen.
    »Wer spricht davon? Es ist zu liebenswürdig von dir, uns Gesellschaft zu leisten, bis das arme Kind wieder herunterkommen kann.«
    »Ich will nach Arromanches flüchten bis zur Ankunft meines Vaters, wenn

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