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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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erwachte Verlangen in ihrem Sohne bemerkt, ehe ihn die Verdrießlichkeiten dort oben zurückhielten. Wenn das Mädchen ihn gleichfalls liebte, warum sollte man sie nicht miteinander verheiraten? Der Vater werde seine Einwilligung schon geben, besonders im Falle gegenseitiger Leidenschaft. Sie fachte diese Leidenschaft an, indem sie den Rest des Abends hindurch verwirrende Redensarten vor sich hin sprach.
    »Mein Lazare ist so gut! Niemand kennt ihn. Du selbst, liebe Luisette, kannst nicht ahnen, wie zärtlich er ist... Ach, ich würde seine Frau gewiß nicht beklagen!... Sie darf sicher sein, geliebt zu werden... Und dann so gesund! Eine Haut so weiß und fein wie die eines Huhns! Mein Großvater, der Ritter de la Vignière hatte eine so weiße Haut, daß er zu den Maskenbällen seiner Zeit immer mit ausgeschnittenem Kragen ging wie eine Frau.«
    Luise errötete und lachte äußerst belustigt über diese Einzelheiten. Der Hof, den ihr die Mutter um des Sohnes willen machte, diese Vertraulichkeit einer ehrlichen Maklerin, hätten sie die ganze Nacht dort festgehalten. Aber Chanteau begann über seine Zeitung einzuschlafen.
    »Geht man denn noch nicht bald schlafen?« fragte er gähnend.
    Da er der Unterhaltung lange nicht zugehört hatte, setzte er gleich hinzu:
    »Ihr habt gut reden, sie ist nicht schlecht!... Ich werde erst zufrieden sein, wenn sie ihre Suppe wieder an meiner Seite ißt.«
    »Wir werden alle zufrieden sein«, rief Frau Chanteau herb. »Man spricht und sagt, was man denkt, aber das hindert nicht, daß man die Leute lieb hat.«
    »Das arme Herz!« erklärte ihrerseits Luise, »ich würde ihr gern die Hälfte ihres Leidens abnehmen, wenn das zu machen wäre... Sie ist so lieb.«
    Veronika, welche die Handleuchter hereinbrachte, warf wieder etwas dazwischen. »Sie tun recht, ihre Freundin zu sein, Fräulein Luise, denn man müßte einen Pflasterstein statt eines Herzens haben, um Schlechtes gegen sie anzuzetteln.«
    »Schon gut, man hat dich nicht um deine Meinung befragt«, begann Frau Chanteau von neuem. »Es wäre besser gewesen, du hättest deine Leuchter geputzt ... Der da ist ekelhaft!«
    Alle standen auf. Chanteau floh vor diesen stürmischen Auseinandersetzungen in sein Zimmer zu ebener Erde. Als aber die Frauen in den ersten Stock hinauf gestiegen waren, wo ihre Stuben gegenüber gelegen waren, gingen sie noch nicht zu Bett. Fast immer nahm Frau Chanteau Luise noch einen Augenblick auf ihr Zimmer mit. Dort begann sie wieder von Lazare zu sprechen, sie breitete seine Bilder aus und holte selbst Andenken von ihm hervor: einen ihm in frühester Jugend ausgerissenen Zahn, verblichene Haare aus den Tagen der Kindheit, selbst alte Kleidungsstücke, die Krawatte vom ersten Abendmahlgange, die ersten Höschen.
    »Nimm! hier hast du etwas Haar von ihm«, sagte sie eines Abends. »Du beraubst mich nicht, ich besitze solches aus allen Jahrgängen.«
    Lag Luise dann endlich im Bette, konnte sie vor der Nachstellung dieses Jünglings, den ihr seine eigene Mutter in die Arme drängte, nicht die Augen schließen. Sie drehte sich, von Schlaflosigkeit gepeinigt, hin und her, sie sah ihn mit seiner weißen Haut sich von der Finsternis abheben. Oft spannte sie die Ohren, um zu lauschen, ob er noch in dem oberen Stockwerk umherging, und der Gedanke, daß er sicher noch bei der im Bette liegenden Pauline wachte, vermehrte ihr Fieber derart, daß sie die Decke von sich werfen und mit entblößtem Busen schlafen mußte.
    Oben schritt die Genesung langsam vorwärts. Obgleich die Kranke außer Gefahr war, blieb sie doch noch sehr schwach, von Fieberanfällen erschöpft, die den Arzt in Erstaunen setzten. Wie Lazare sagte, waren die Ärzte immer erstaunt. Er wurde stündlich reizbarer. Die plötzliche Mattigkeit, die er gleich nach dem Umschwung der Krankheit verspürt hatte, schien sich zu steigern und artete zu einem nervösen Unbehagen aus. Seit er nicht mehr gegen den Tod ankämpfte, litt er in diesem Gemach ohne Luft, unter dem Zwang der zur bestimmten Stunde einzugebenden Arznei, unter all den kleinen Plackereien der Krankheit, an denen er zuerst so warmen Anteil genommen hatte. Sie konnte ihn jetzt entbehren, und er verfiel wieder in die Langeweile seines inhaltslosen Lebens, eine Langeweile, die er durch Schleudern mit den Armen, durch stete Veränderung seines Platzes auszufüllen suchte, die ihn mit verzweifelten Blicken um die vier Wände des Zimmers jagte oder gedankenlos am Fenster stehen ließ, ohne daß

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