Die Lebensprinzipien
in der Wüste, ähnlich der anderen Spielerstadt Las Vegas im amerikanischen Nevada, bietet Sport, Spiel, Spannung und natürlich die »größten Shows und Spektakel« der Welt. Außerdem ist hier alles angesiedelt, was sonst oder in der näheren Umgebung verboten ist, wie vor allem Glücksspiel und der Schein von Liebe in ihrer käuflichen Variante und über allem eine übertriebene Portion Glamour à la Hollywood.
Zentralistische Städte wie Rom oder Paris , wo alle Wege ins Zentrum führen, aus dem das ganze Land regiert wird, gehören ihrer Natur gemäß ebenfalls zum Sonnenprinzip. »Alle Wege führen nach Rom«, war der Slogan, der sich wie der Ruhm länger hielt als die Macht der Ewigen Stadt am Tiber. Rom war lange der Mittelpunkt der Welt, und hierher kehrten lorbeerumkränzt die Sieger zurück. Ihre Soldaten, die legendären Legionen, waren allerdings zu marsisch, um mit in die Stadt einziehen zu dürfen. Rom war allein den Siegern und ihrem Triumph und der entsprechenden Siegesfeier vorbehalten, die die Helden im Triumphwagen huldvoll über sich ergehen ließen. Hier herrschte Sonne, da sollte Mars nicht stören. Aber er war immer nahe und der Triumphwagen ein besserer Streitwagen, die Rösser davor waren so stattlich wie schnell.
In Paris führen wirklich alle Straßen gleichsam sternförmig in die Mitte, wo sie sich am Arc de Triomphe treffen. Die Hauptstadt des vom Sonnenprinzip dominierten Frankreich, wo der Sonnenkönig und der andere große beziehungsweise kleine Löwe Napoleon residierten, wo selbst sozialistische Politiker wie Mitte rrand noch Sonnen-Königs-Allüren entwickelten.
In Frankreich gibt es nicht Mode, sondern die Mode, die Haute Couture, nicht Essen, sondern die Haute Cuisine, hier is(s)t man wie Gott in Frankreich, aus dem die Modeschöpfer und die Köche kommen, und selbst die Liebe soll hier zu Hause sein.
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Venedig zehrt dagegen nur noch von dem vergangenen Ruhm sonnengeprägter Zeiten und ist heute zu einem Touristen-Mekka geworden und damit dem Merkurprinzip anheimgefallen. Ursprünglich, in der Dogenzeit, hatte es sich ganz dem Sonnenprinzip verschrieben und war vom heiligen Markus, dem Evangelisten mit dem Löwen an der Seite, geprägt, wie es heute noch die steinernen Löwenstatuen vermitteln. Am Markusplatz vor dem Dom, inmitten der Paläste der Dogenzeit, lässt sich aber noch spüren, dass auch hier einmal die Mitte der Welt war.
Hearst Castle , wo sich William Randolph Hearst sein Versailles nachbaute, das er sich als unumschränkter König des amerikanischen Zeitungsmarktes leisten konnte, verrät, wie sehr es Sonnenmenschen zum Repräsentieren drängt, wie sie auf der Schattenseite aber auch dazu neigen, peinlich zu werden und – ohne es natürlich zu merken – sich lächerlich zu machen. Alle Schlösser mit ihren Thron- und Prunksälen verkörpern das Sonnenprinzip.
Die beiden Extreme des Sonnenprinzips werden auf den griechischen Nachbarinseln Mykonos und Delos deutlich. Auf Mykonos erleben wir die Glitzerwelt der Schönen und (Einfluss-)Reichen, vor allem aber der peinlich und künstlich aufgemotzten Schickeria – eine Welt des Scheins. Auf Delos, der heiligen Insel, die für die Mehrheit gesperrt bleibt, finden wir die Wiege der griechischen Götterwelt. Es ist das Zentrum der alten religiösen Macht, eine Tempelstadt und -insel zugleich, mit eindrucksvollen Resten einer
ehemals weltbeherrschenden Kultur und ihrer berühmten Allee steinerner Löwen.
Kurz gesagt ist das Sonnenprinzip überall zu Hause, wo es um den Mittelpunkt geht, also auch im Kanzleramt und am Regierungssitz oder auf den Bühnen der Welt, vor allem wenn dort große Shows geboten werden. Allerdings finden wir es ebenfalls in Spielcasinos und auf Spielplätzen und beim bestplatzierten Liegestuhl in vorderster Reihe.
Sonnenmythen
Die Gralslegende zeigt einen typischen Entwicklungsweg eines Sonnenhelden in Gestalt von Parzival. Dessen Mutter Herzeloide wollte ihn wegen ihres Herzeleides – das sie befallen hatte, als Gachmuret, ihr Mann und Parzivals Vater, im Ritterkampf fiel – vor einem ähnlichen und damit seinem Schicksal bewahren. Sie zog mit ihm und wenigen Getreuen in den Wald, steckte den kleinen Parzival in Mädchenkleider und trug ihm auf, immer in der Nähe des Herdes zu bleiben. Im Übrigen lehrte sie ihn, keine Fragen zu stellen und die Frauen zu ehren.
Als Ritter an dieser Waldeinsiedelei vorbeikamen, hielt der junge, ahnungslose Parzival sie für Götter und lief
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