Die Lebensprinzipien
wir oft die Sucht, im Mittelpunkt zu stehen. Für Applaus wird alles getan und um jeden Preis Aufmerksamkeit erregt.
Sternchen wie die sogenannten It-Girls, die außer einem dürren, dem Modediktat entsprechenden Körper so gar nichts zu bieten haben, gehören natürlich auch zu diesem Prinzip, auf dessen Schattenseite sich eben gnadenlose Peinlichkeit und Selbstüberschätzung breitmachen.
Selbst die Welt der klassischen Musik, die sich früher dafür viel zu gut gewesen wäre, scheint heute an diesen Aspekten des Sonnenprinzips nicht mehr vorbeizukommen. Die großen Stars wollen Starruhm über die Opernbühne hinaus. So lassen sich Heldentenöre bis in Pop-Ebenen hinein vermarkten. Sie singen – früher undenkbar – zusammen mit Popstars, um Stadien zu füllen und auch diese Szene mitzunehmen. Die wenigen echten Klassikliebhaber mögen (ihnen) das übelnehmen, aber die Masse macht’s, und sie zählt und zahlt.
Meisterschwemme in der Esoterikszene
Eine Problematik des Sonnenprinzips läuft auf einen großen Ego-Trip unter dem Deckmantel von Selbstverwirklichung hinaus. Diesen Aspekt zeigt besonders krass und strahlend die heutige Esoterikszene, die vor selbsternannten Gurus und Darshan-Gebern, aber auch Aposteln der Einfalt nur so wimmelt; fast sind es schon mehr, als es Anhänger gibt. Kaum hatte einer eine Erleuchtungserfahrung, lässt er sich schon zum Meister ausrufen. So erlebt die spirituelle Szene eine verblüffende Meisterschwemme.
Cäsars Maxime, lieber der Erste in Gallien als der Zweite in Rom zu sein, feiert etwa in der Sannyas-Szene spirituelle Auferstehung, in der viele kleine Meister kleinste Gruppen um sich scharen, um so ein wenig meisterliches Leben zu fristen. Hier zeichnet sich aber schon eine wundervolle (Er-) Lösung ab, denn alles käme wieder in Ordnung, wenn schließlich jeder sein eigener Meister wird. Dass jeder Guru in eigener Sache ist, hat durchaus Charme, zwar lässt sich davon nicht leben, aber es kommt wieder Sinn und Ehrlichkeit ins Spiel solch eines andernfalls anmaßenden Lebens im Klein-Mittelpunkt.
Im Übrigen spiegelt es die großen Gefahrenmomente des Sonnenprinzips: Anmaßung und Peinlichkeit. In diesem Fall lauter kleine Meister, nirgends Erleuchtung, aber überall gnadenlose Überschätzung und Eifersüchtelei. Es ist (selbst-)verständlich, dass in einer Szene, der es um das höchste Ziel des Menschseins geht, der Schatten des Ego Triumphe feiert. Die Existenz von Falschgeld spricht aber natürlich nicht gegen die von echtem, sondern belegt im Gegenteil dessen Existenz.
Ein weiterer Schatten wird in ausufernder Faulheit und Bequemlichkeit deutlich, die jede Menge Wunsch-Gurus bedienen. Sie suggerieren ihren in die Millionen gehenden Anhängern, sie müssten nichts weiter tun, als sich das Blaue vom Himmel zu wünschen. Selbst wenn solche Gurus es bis zur Propagierung der physischen Unsterblichkeit treiben und dann jung sterben wie Prentice Mulford, der die Vorlagen für die meisten der heutigen Wunsch-Apostel und Positiv-Denker geliefert hat, ändert das nichts an der von Bequemlichkeit geprägten Unbelehrbarkeit ihrer Anhängerscharen. Obwohl immer wieder dasselbe alte Positivdenken in neuen Verkleidungen geboten wird, es hat Hochkonjunktur, was zeigt, wie weit der Heldenweg von der Wirklichkeit in dieser Szene entfernt ist.
Übertreibung der Individualität
Wir haben uns auf einem langen Weg aus dem Kollektiv von Stammesgesellschaften mit striktem Sippenwesen zur Individualität in einer modernen Gesellschaft entwickelt. Während damals nur die Gemeinschaft zählte, geht es heute scheinbar nur noch um die Einzelnen. Das Ergebnis ist einerseits der schon beschriebene Starkult, andererseits aber auch eine immer weiter und bis in Extreme führende Individualisierung, die manchmal bis ins Absurde geht.
Ein leidenschaftlicher Salsatänzer lud eine ihn faszinierende junge Dame in ein entsprechendes Lokal zum Tanz. Als sie sich trafen, war er von ihrer Attraktivität und ihrem wundervollen Tanzstil
tief beeindruckt. Sie hatte offensichtlich den Rhythmus im Blut. Doch rasch zeigte sich, dass es nicht seiner war und auch nicht der bei diesem Tanzabend vorgegebene. Irgendetwas stimmte nicht und passte nicht zusammen. Sie tanzte ihren eigenen brillanten Stil, aber zusammen ging nichts. So tanzten sie eben jeder für sich, was er schade fand, ihr aber offensichtlich lieber war. Sie lief zur Hochform auf und glänzte mit ihrer Figur und ihren Tanzfiguren als Mittelpunkt
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