Die Lebensprinzipien
Wandlung muss diese radikale existenzielle Dimension erreichen.
Der Playboy Francesco, der kein Scharmützel ausließ und keinem Flirt abgeneigt war, stirbt dramatisch in einer Art agitierter Psychose, ausgelöst durch Kriegserfahrungen, wie moderne Psychiater wohl diagnostizieren würden. Er wird ver-rückt und auf eine ganz andere Ebene gerückt. Die Stoffhandlung des Vaters, Grundlage des familiären Reichtums, beginnt er Ballen für Ballen zu verschenken. Er interessiert sich nicht mehr für Materie, seine Rüstung
und Pferde, seine Kumpane und Mädchen, sondern ausschließlich für Gott und die Seele. Er ist schon der heilige Franz von Assisi – die Verwandlung ist schnell gegangen, die Vorbereitungsphase muss in seinem Inneren, äußerlich weitgehend unbemerkt, abgelaufen sein.
Auch Faust hat neben seiner jovischen Grundfrage vor allem Plutonisches zu bieten, etwa als er Gretchen mitsamt ihrer Familie auf sein Gewissen lädt und überhaupt alles zerstört, was er anfasst. Er lässt sich von Mephisto im Alter noch eine Häutung beziehungsweise magische Verjüngungskur verabreichen, heute würden wir von Anti-Aging sprechen, aber seine Situation wird immer aussichtsloser, bis er bekennt: »Der Menschheit ganzer Jammer fasst mich an.« Vielleicht macht ihn gerade dieser Satz auch zu dem großen deutschen Mythos. Im zweiten Teil aber kann er im Tod noch Erlösung finden und damit Mephisto ein Schnippchen schlagen.
Der einstmals größte Fleisch- und Wurstfabrikant Deutschlands, Karl Ludwig Schweisfurth, verkaufte sein Unternehmen und gründete im Rahmen der Schweisfurth-Stiftung die Herrmannsdorfer Landwerkstätten, wo die typischen Schlachttiere artgerecht und einfühlsam und nur nach entsprechender Vorbereitung und innerhalb eines Rituals geschlachtet werden.
Einer meiner frühen Patienten durchlebte dieses dramatische Muster einer plutonischen Wandlung. Von Musik begeistert, träumte er vom Konservatorium und der großen Musikkarriere. Um das alles zu finanzieren, gründete er eine Showband, mit der er sehr erfolgreich war. Er wurde angehimmelt und verdiente viel Geld. Schließlich fand ihn eine »wundervolle« Frau, die ihm ein Kind schenkte und der er den Traum von der großen Musik opferte. Lediglich einmal im Monat traf er sich noch mit alten Freunden zu einer Jam-Session, und irgendwann passierte es dabei. Er »hörte den Ton«, wie er sagte, und vergaß darüber alles andere, die Auftritte und Aufnahmen, sogar Frau und Kind. Alles trat zurück auf seiner Suche nach dem perfekten Ton, der vollendeten Musik. Die »wundervolle Frau« ließ ihn sein blaues Wunder erleben und schaffte es,
ihn erst in die Psychiatrie einweisen und dann auch noch entmündigen zu lassen, weil er sich wirtschaftlich weder vernünftig noch verantwortlich verhielt.
Er durchlitt eine spirituelle Krise, wie der tschechische Psychiater Stan Grof das später nennen sollte. Auf den Ruf aus der anderen Dimension war er nämlich in keiner Weise vorbereitet gewesen. Grof geht davon aus, dass die Hälfte der Insassen unserer Psychiatrien in dieser Situation seien. Selbst wenn es nur auf ein Viertel zuträfe, was mir realistischer erscheint, wäre es schlimm genug. Es ist eine Schande, dass wir sie hängenlassen und ihnen nicht auf ihrem plutonischen und damit radikalen Weg in ein neues Leben helfen. Sie gehören nicht in die Psychiatrie, und wir bräuchten sie dringend in unserer an skrupellosem Materialismus leidenden Gesellschaft.
Politik(er)
Jawaharlal Nehru , der von Mahatma Gandhi ein in religiösen und politischen Gegensätzen implodierendes Indien übernommen hatte, war zum Glück für ihn und Indien Plutoniker. Er wollte den ganzen Subkontinent von Grund auf erneuern, versuchte, den Gegensatz zwischen Hindus und Muslimen zu versöhnen und scheiterte dramatisch an einem Spaltpilz, der durch die Herzen ging und das Land mitriss. Trotzdem war er als Indiens Befreier der Lichtpol der sehr plutonischen Gandhi-Familie, die mit Indira Gandhi, seiner Tochter, der indischen Politik auch noch eine Schattengestalt schenkte.
Indira Gandhi , Machtpolitikerin und Plutonikerin, wie sie im Buche steht, war das Thema schon an ihrer plutonischen Frisur anzusehen: pechschwarz mit strahlend weißer Strähne. Ihr skrupelloser Versuch, in einer Demokratie eine Familiendynastie durchzudrücken, scheiterte an der Ermordung ihres ebenso rücksichtslosen wie verhassten Sohnes Sanjay. Dieser hatte sich, nach der Devise
»Der Zweck heiligt alle
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