Die Lebensprinzipien
schöpfen, wenn sie Erfolg haben wollen.
In einer liberalen Suchtklinik meiner frühen Arztzeit, wo man sich für die »Klienten« wirklich viel Zeit nahm und ihnen in jeder vorstellbaren Weise entgegenkam, waren trotzdem Dinge wie Sphärenmusik, Räucherstäbchen, wallende Hippiegewänder und Meditation verboten. Auf meine Frage erklärte der Oberarzt, all das gehöre zum Umfeld der Sucht, das man radikal austrocknen müsse. Heute kann ich mir rückwirkend die schlechten Ergebnisse trotz des enormen Einsatzes erklären. Die Klinikleitung hatte unbewusst das Neptunprinzip als mit der Drogensucht verbunden erkannt und wollte es nun – typisch allopathisch – als Ganzes unterbinden und verbieten. Natürlich musste sie scheitern wie fast die ganze psychiatrische Drogentherapie.
Auf dem Boden der Lebensprinzipien-Lehre würde ich raten, eine Drogenklinik direkt an die Meeresküste oder besser noch auf eine Insel zu bauen. Die Räume wären in den Pastelltönen des Neptunprinzips gehalten, und Meditationsmusik, wie wir die Sphärenmusik heute nennen, wäre überall zu hören und zu haben. Abends würden neptunische Filme gezeigt und Seelenreisen in sein Revier angeleitet. Düfte von Räucherstäbchen und Weihrauch würden die Luft erfüllen, und Symbole und Bilder von den Zielen der geglückten Lebensreise wären in jedem Raum zu finden – egal ob in Gestalt von Christus-, Buddha- oder Krishna-Skulpturen. Und natürlich würde ich den zeitweilig gescheiterten Suchern jede Form von Einweihung in Meditation und Religion nahelegen und ermöglichen. Priester und Meditationslehrer, Gurus und Psychotherapeuten, aber auch Aura- und Fußleser, Heiler, Fußreflexologen und Podologen wären gern gesehen, eingeladen und angestellt. Ich würde die Patienten nach ihrer entsprechenden Wahl in der Ausübung von Meditationen, Gebeten und Exerzitien bestärken und ihnen Mut machen, in schwierigen Phasen dranzubleiben, was schon genug saturnine Fähigkeiten erfordert, die für Neptunier anspruchsvoll und oft schwierig sind. Natürlich würde die gescheiterte Suche auch psychotherapeutisch aufgearbeitet, aber genauso wichtig wäre die Zukunft und der künftige Weg zur Erlösung des Neptunprinzips und damit des Sucht- und Suche-Problems.
Religionsersatz
Das Vakuum, das durch den Ausfall von Suche und religiösem Angebot entsteht, sorgt für weiteren unerlösten Ersatz. Überall tauchen Sekten auf. Lateinamerika fällt inzwischen im breiten Stil vom Katholizismus ab und zurück an alte Kulte wie Santo Daime mit der bis nach Europa ausstrahlenden Wirkung von Ayahuasca-Ritualen und kultischen Gesängen. Andererseits hat inzwischen auch die offensive Evangelisation reformierter US-Sekten dort Erfolg. Die Gründe, warum es in dieser Generation dazu kam, können uns den Mechanismus auch für unsere europäische Situation klarmachen.
Nachdem Papst Johannes Paul II. (Karol Wojtyla) mit seinem Feldzug gegen alles gesellschaftlich Linke, das ihm mit seiner verständlichen polnischen Kommunismusphobie ein Dorn im Auge war, auch die breit und tief verwurzelte und von großen katholischen Geistern wie Bischof Dom Hélder Câmara mitgetragene Befreiungstheologie in Bausch und Bogen und für einen Papst unangemessen einseitig verdammt hatte, war die Vertrauensbasis erschüttert. Als er den zum Kuss seines Ringes in Managua, Nicaraguas Hauptstadt, demütig niederknienden Ernesto Cardenal, Priester und Poet der Befreiungstheologie, mit einer herrischen Geste verjagte, verließen Hunderttausende von Gläubigen enttäuscht den Platz, auf dem sie dem Heiligen Vater begegnen wollten. Sie hatten dort weder einen Heiligen noch einen Vater gesehen. Einige solcher Gesten und Aktionen mehr, und ein ganzer Kontinent ging dahin und schaute sich kaum noch um nach der Kirche der alten autoritären Männer (Saturn). Was blieb, war ein Glaubens- und damit neptunisches Vakuum, in dem alles möglich ist, wie es uns die Atomphysiker auch für ihr Vakuum oder Nullpunktfeld erklären.
Heute reicht es in der westlichen Welt schon, ein wenig väterliche Autorität zu zeigen, ein bisschen auf Erleuchtung zu machen oder sie im Schnellverfahren anzubieten, schon hat man seinen Sektentempel voll, der manchmal auch nur eine Bude ist. Wenn man dann noch (neptunische) Opfer verlangt wie das Abliefern allen auf dem Weg nur hinderlichen Besitzes und Geldes, schon ist man auf dem Sektenmarkt gefragt. Und natürlich wird hier mit Symbolen und Mustern hantiert, die Wirkung haben.
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