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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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nicht! Die Drenai sind am Ende, und Ulrics Stern strahlt. Was hofft ihr zu erreichen?« Rek zog langsam einen langen, schmalen Dolch und legte ihn vor sich auf den Tisch.
    »Geh jetzt«, wiederholte er ruhig.
    Bricklyn stand auf und rannte zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um.
    »Du Narr!« fauchte er. »Benutz den Dolch für dich selbst, denn was die Nadir tun werden, wenn sie dich in die Hände bekommen, wird einen schönen Anblick geben.« Damit war er fort. Hogun trat aus einem mit einem Wandteppich verhängten Alkoven und kam zum Tisch. Sein Kopf war verbunden, sein Gesicht blaß. In der Hand hielt er sein Schwert.
    »Wie konntest du ihn nur gehen lassen, Rek? Wie nur?« Rek lächelte. »Weil ich mich nicht damit abgeben wollte, ihn zu töten.«

30
    Die letzte Kerze erstarb, als ein leichter Herbstwind die Vorhänge blähte. Rek schlief weiter; sein Kopf ruhte auf den Armen. Er saß immer noch am Tisch, von dem aus er Bricklyn nur eine Stunde zuvor zu den Nadir geschickt hatte. Sein Schlaf war leicht, aber traumlos. Er schauderte, als es kühler im Zimmer wurde, dann erwachte er ruckartig in der Dunkelheit. Die Angst griff nach ihm, und er tastete nach seinem Dolch. Er schauderte wieder; es war kalt … so kalt. Er blickte zum Feuer. Es flackerte, aber die Wärme erreichte ihn nicht. Er stand auf und ging zum Kamin hinüber, hockte sich davor und streckte seine Hände der Wärme entgegen. Nichts. Verwirrt stand er auf und ging zurück zum Tisch. Dann traf ihn der Schock.
    Den Kopf auf die Arme gelegt, schlief dort die Gestalt des Grafen Regnak noch immer. Er rang die aufsteigende Panik nieder, beobachtete die schlafende Gestalt, sah die Erschöpfung in dem ausgezehrten Gesicht, die tiefen Schatten um die Augen und den müden Zug um den Mund.
    Dann fiel ihm die Stille auf. Selbst zu dieser späten Stunde der tiefsten Dunkelheit müßte er Geräusche hören, von den Wachen, den Dienern oder den Köchen, die das Morgenmahl vorbereiteten. Aber er hörte nichts. Er ging zur Tür und auf den dunklen Gang hinaus, dann weiter in die Schatten des Fallgittertores. Er war allein – jenseits des Tores waren die Mauern, aber keine Wächter gingen darauf auf und ab. Er wanderte in die Dunkelheit hinaus, und die Wolken verzogen sich, der Mond schien hell.
    Die Festung war verlassen.
    Von der hohen Mauer Geddon blickte er nach Norden. Die Ebene war leer. Nirgendwo waren Zelte der Nadir aufgeschlagen.
    Also war er wirklich allein. Die Panik schwand, und ein Gefühl tiefen Friedens umfing seine Seele wie eine warme Decke. Er setzte sich auf die Brustwehr und betrachtete die Festung.
    Ist dies ein Vorgeschmack des Todes, fragte er sich? Oder nur ein Traum? Es kümmerte ihn nicht. Ob ein Vorgeschmack auf die Wirklichkeit von morgen oder das Ergebnis einer überhitzten Phantasie – es spielte keine Rolle. Er genoß den Augenblick.
    Und dann, mit einem tiefen Gefühl der Wärme, erkannte er, daß er nicht allein war. Sein Herz quoll über, und Tränen traten ihm in die Augen. Er drehte sich um, und da war sie: mit ihrer Felljacke und den wollenen Hosen. Sie breitete die Arme aus und kam in seine Umarmung. Er hielt sie fest an sich gepreßt und drückte sein Gesicht in ihr Haar. Lange Zeit standen sie da, während tiefe Schluchzer seinen Körper schüttelten. Endlich ließen die Tränen nach, und er ließ sie sanft los. Sie sah zu ihm auf und lächelte.
    »Du hast es gut gemacht, Rek«, sagte sie. »Ich bin sehr stolz auf dich.«
    »Ohne dich ist es bedeutungslos«, sagte er.
    »Ich würde nichts ändern, Rek. Wenn man mir sagte, ich könnte mein Leben zurückhaben, würde dich aber nicht kennenlernen, dann würde ich es ablehnen. Was spielt es für eine Rolle, daß wir nur wenige Monate hatten? Aber was waren das für Monate!«
    »Ich habe nie jemanden so geliebt wie dich«, sagte er.
    »Ich weiß.«
    Sie redeten noch stundenlang, aber der Mond hing an derselben Stelle, und die Sterne standen fest; eine ewige Nacht. Endlich küßte sie ihn, um seine Worte aufzuhalten.
    »Da sind noch andere, die du sehen mußt.«
    Er versuchte, mit ihr zu streiten, aber sie legte ihm den Finger an die Lippen. »Wir werden uns wiedersehen, Liebster. Aber jetzt mußt du mit den anderen reden.«
    Um die Mauern herum lag nun Nebel, dick und wabernd. Doch der Mond schien weiter von einem wolkenlosen Himmel. Sie ging in den Nebel und war verschwunden. Er wartete, und bald kam eine Gestalt in silberner Rüstung auf ihn zu. Wie immer sah er frisch

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