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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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ich den nötigen Mut dazu habe?«
    »Offen gesagt, ja. Das will ich dich fragen.«
    »Ich weiß es nicht. Hast du den Mut?«
    Der Hauch eines Lächelns glitt über das blasse, hagere Gesicht, als der Albino über die Frage nachdachte. Seine schlanken Finger trommelten leise auf den Schreibtisch.
    »Das ist eine gute Frage. Ja, ich habe den Mut. Meine Ängste haben nichts mit dem Tod zu tun.«
    »Du hast meine Gedanken gelesen«, sagte Rek. »Du kannst mir sagen, ob auch ich den Mut habe. Ich meine es ernst. Ich weiß nicht, ob ich eine lange Belagerung aushalten könnte. Es heißt, daß Männer solchem Druck nicht standzuhalten vermögen.«
    »Ich kann dir nicht sagen«, antwortete Serbitar, »ob du durchhalten wirst oder nicht. Du bist zu beidem fähig. Ich kann nicht sämtliche Begleiterscheinungen einer Belagerung analysieren. Stell dir selbst die Frage: Was ist, wenn Virae fallen würde? Würdest du trotzdem bleiben?«
    »Nein«, antwortete Rek, ohne zu zögern. »Ich würde ein schnelles Pferd satteln und wäre auf und davon. Mir liegt nichts an Dros Delnoch. Oder dem Reich der Drenai.«
    »Die Drenai sind dem Untergang geweiht«, sagte Serbitar. »Ihr Stern ist gesunken.«
    »Dann glaubst du also, daß die Dros fallen wird?«
    »Letztendlich muß sie fallen. Aber noch kann ich nicht so weit in die Zukunft sehen. Der Weg des Nebels ist seltsam. Oft zeigt er Ereignisse, die noch kommen werden, aber öfter noch Ereignisse, die nie eintreten. Es ist ein gefährlicher Pfad, den nur der echte Mystiker mit Gewißheit beschreiten kann.«
    »Der Weg des Nebels?« fragte Rek.
    »Oh, tut mir leid, das kannst du ja nicht wissen. Es ist ein Weg auf einer anderen Ebene … eine vierte Dimension? Eine Reise des Geistes, ähnlich einem Traum. Aber du kannst diesen Traum steuern und sehen, was du sehen möchtest. Es ist schwer, das einem Nicht-Sprecher zu erklären.«
    »Willst du damit sagen, daß deine Seele außerhalb deines Körpers reisen kann?« fragte Rek.
    »O ja, das ist der leichte Teil. Wir haben dich vor der Hütte im Graven-Wald gesehen. Wir haben dir geholfen, indem wir den Axtkämpfer Grussin beeinflußten.«
    »Ihr habt ihn Reinard töten lassen?«
    »Nein. So groß sind unsere Kräfte nicht. Wir haben ihn lediglich in die Richtung gestoßen, über die er ohnehin schon nachdachte.«
    »Ich weiß nicht, ob es mir so recht behagt zu wissen, daß ihr solche Macht habt«, erklärte Rek, vermied jedoch, dem Albino dabei in die grünen Augen zu sehen.
    Serbitar lachte; seine Augen funkelten, und das blasse Gesicht spiegelte seine Erheiterung wider.
    »Freund Rek, ich halte mein Wort. Ich habe dir versprochen, nie wieder meine Gabe zu nutzen, um deine Gedanken zu lesen, und ich werde mein Versprechen halten. Keiner der Dreißig wird deine Gedanken lesen. Glaubst du, wir wären Priester, die der Welt entsagten, wenn wir anderen etwas zuleide tun wollten? Ich bin der Sohn eines Grafen, aber wenn ich wollte, könnte ich auch ein König sein, ein Herrscher, mächtiger als Ulric. Du brauchst dich nicht bedroht zu fühlen. Wir müssen entspannt miteinander umgehen. Noch mehr – wir müssen Freunde sein.«
    »Warum?«
    »Weil wir einen Augenblick miteinander teilen werden, der nur einmal im Leben kommt – wir werden sterben.«
    »Das ist deine Ansicht«, entgegnete Rek. »Ich betrachte es nicht so, daß die Reise nach Dros Delnoch nur ein anderer Weg ist, Selbstmord zu begehen. Es ist eine Schlacht, das ist alles. Nicht mehr, nicht weniger. Eine Mauer kann man verteidigen. Eine kleine Truppe kann einer größeren standhalten. Die Geschichte ist voller Beispiele dafür – nimm nur Skeln-Paß.«
    »Das ist wahr«, gab Serbitar zu. »Aber man erinnert sich an solche Fälle, weil sie Ausnahmen sind. Laß uns bei den Tatsachen bleiben. Die Dros wird von einer Streitmacht verteidigt, die weniger als ein Drittel der vollen Besetzung ausmacht. Die Moral ist schlecht, die Furcht groß. Ulric hat eine Truppe von mehr als einer halben Million Kriegern, die alle bereit, ja, sogar begeistert sind, für ihn im Kampf zu sterben. Ich bin Waffenmeister und habe Kriegführung studiert. Dros Delnoch wird fallen. Befreie deinen Geist von allen anderen Schlußfolgerungen.«
    »Warum kommt ihr dann mit uns? Was gewinnt ihr dabei?«
    »Wir sterben«, antwortete Serbitar, »um dann zu leben. Aber ich werde jetzt nichts mehr dazu sagen. Ich will dich nicht bedrücken, Rek. Wenn es Sinn hätte, würde ich dir Hoffnung machen. Aber meine ganze

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