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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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wieder herunter und zog den schwarzen Stiefel über den Fuß. Er grunzte, als er das verletzte Knie durchdrückte. Er erhob sich, ging zum Fenster und stieß es auf. Sein Knie fühlte sich besser an – nicht viel, aber es reichte. Der Himmel war blau und wolkenlos, und eine kühle Brise strich durch Druss’ Bart. Hoch oben kreiste ein Adler.
    Druss ging zu seinem Gepäck zurück und nahm den zerknitterten Brief aus Delnar heraus. Er nahm ihn mit zum Fenster, um besseres Licht zu haben, und glättete das Pergament.
    Mein teurer Kamerad,
    selbst jetzt, wo ich schreibe, bekomme ich Nachrichten über die Armee der Nadir, die sich bei Gulgothir sammelt. Es steht fest, daß Ulric bereit ist, sich nach Süden zu wenden. Ich habe an Abalayn geschrieben und um Verstärkung gebeten. Aber es wird keine kommen. Ich habe Virae zu Vintar geschickt – erinnerst Du Dich an den Abt der Schwerter? – und um Die Dreißig gebeten. Ich klammere mich an Strohhalme, mein Freund.
    Ich weiß nicht, in welchem Gesundheitszustand Dich dieser Brief antreffen wird, aber er ist in Verzweiflung geschrieben. Ich brauche ein Wunder, oder die Dros wird fallen. Ich weiß, Du hast geschworen, nie wieder einen Fuß hineinzusetzen, aber alte Wunden heilen, und meine Frau ist tot, wie auch Dein Freund Seben. Du und ich sind die einzigen Lebenden, die die Wahrheit kennen. Und ich habe nie darüber gesprochen.
    Dein Name allein wird ausreichen, die Zahl der Deserteure zu mindern und die Moral wiedererstarken zu lassen. Ich bin von schlechten Offizieren umgeben, die aus politischen Gründen ernannt worden sind, aber meine schwerste Bürde ist Gan Orrin, der Befehlshaber. Er ist Abalayns Neffe und ein strenger Zuchtmeister. Er ist verhaßt, aber ich kann ihn nicht absetzen. In Wahrheit führe ich nicht länger das Kommando.
    Ich habe Krebs. Er verzehrt mich von Tag zu Tag mehr.
    Es ist nicht gerecht, Dir davon zu erzählen, denn ich weiß, daß ich meinen bevorstehenden Tod ausnutze, Dich um einen Gefallen zu bitten.
    Komm und kämpfe mit uns. Wir brauchen Dich, Druss. Ohne Dich sind wir verloren. Genauso wie in Skeln. Komm, so schnell Du kannst.
    Dein Waffenbruder
    Graf Delnar.
     
    Druss faltete den Brief zusammen und steckte ihn tief in die Tasche seiner Lederweste. »Ein alter Mann mit geschwollenem Knie und arthritischem Rücken. Wenn du Hoffnungen auf ein Wunder hast, mein Freund, wirst du woanders suchen müssen.«
    Auf einer Eichenkommode stand neben einem Waschbecken ein silberner Spiegel, und Druss starrte sein Spiegelbild unverwandt an. Die Augen waren von einem durchdringenden Blau, der Bart eckig gestutzt, das Kinn fest. Er nahm den Lederhelm ab und kratzte sich das dicke, graue Haar. Seine Gedanken waren ernst, als er den Helm wieder aufsetzte und nach unten ging.
    An der langen Theke bestellte er Bier und lauschte auf die Gespräche, die um ihn herum geführt wurden.
    »Sie sagen, Ulric hat eine Million Mann«, sagte ein hochaufgeschossener junger Bursche. »Und ihr habt ja gehört, was er in Gulgothir getan hat. Nachdem die Stadt sich geweigert hatte, sich zu ergeben, hat er jeden zweiten hängen und vierteilen lassen, nachdem er die Stadt eingenommen hatte. Sechstausend Mann. Es heißt, die Luft war schwarz vor Krähen. Stellt euch das mal vor! Sechstausend!«
    »Weißt du auch, warum er das getan hat?« fragte Druss, sich in das Gespräch einmischend. Die Männer sahen erst einander, dann Druss an.
    »Selbstverständlich wissen wir das. Er ist ein blutdürstiger Wilder, das ist es.«
    »Keineswegs«, widersprach Druss. »Trinkt ihr etwas mit mir?« Er rief den Wirt und bestellte Bier. »Er hat es getan, damit Männer wie ihr diese Geschichte auch in andere Städte tragen könnt. Warte! Versteh mich nicht falsch«, sagte er, als er merkte, wie dem Mann die Zornesröte ins Gesicht stieg. »Ich habe dich nicht dafür getadelt, daß du diese Geschichte erzählt hast. Es ist ganz normal, daß sich solche Dinge verbreiten. Aber Ulric ist ein gewiefter Soldat. Nehmt mal an, er hätte die Stadt eingenommen und die Verteidiger wie Helden behandelt. Dann würden sich andere Städte ebenso heftig wehren. Aber so schickt er die Angst voraus. Und Angst ist ein starker Verbündeter.«
    »Das hört sich so an, als ob du ihn bewunderst«, sagte ein anderer Mann. Er war kleiner und hatte einen lockigen blonden Schnurrbart.
    »Ja, das tue ich«, erklärte Druss lächelnd. »Ulric ist einer der größten Generäle unseres Zeitalters. Wer sonst hätte es in

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