Die Legende
Verstanden?«
»Natürlich habe ich das verstanden«, sagte Druss. »Normalerweise neige ich nicht zur Panik, aber es gibt Dinge, die ich einfach nicht mag.«
»Ich weiß, Druss. Brauchst du etwas, um schlafen zu können?«
»Nein. Weck mich am Mittag. Ich muß bei einem Schwertkampf den Schiedsrichter machen. Und mach dir keine Sorgen«, setzte er hinzu, als er im Blick des Arztes Zorn aufkeimen sah. »Ich werde mich nicht aufregen, und ich werde mich anschließend sofort wieder ins Bett legen.«
Draußen warteten Hogun und Orrin. Calvar Syn ging zu ihnen, gebot ihnen Schweigen und winkte sie in ein nahe gelegenes Arbeitszimmer.
»Ich bin nicht glücklich«, berichtete er. »Er hört Stimmen. Das ist kein gutes Zeichen. Aber er ist stark wie ein Bulle.«
»Ist er in Gefahr?« fragte Hogun.
»Schwer zu sagen. Heute morgen hätte ich das verneint. Aber er hat in letzter Zeit sehr unter Druck gestanden, und das bessert seinen Zustand nicht gerade. Und er ist schließlich kein junger Mann mehr, auch wenn man es leicht vergißt.«
»Was ist mit den Stimmen?« fragte Orrin. »Könnte er verrückt werden?«
»Ich würde dagegen wetten«, erwiderte Calvar. »Er sagte, es war eine Botschaft von den Dreißig. Graf Delnar hat mir erzählt, daß er Virae mit einer Botschaft zu ihnen geschickt hat, und es ist möglich, daß unter den Dreißig ein Sprecher ist. Es könnte auch jemand von Ulric sein. Unter seinen Schamanen gibt es auch Sprecher. Ich habe Druss befohlen, sich zu entspannen, in Zukunft auf die Stimmen zu hören und mir davon zu erzählen.«
»Dieser alte Mann ist lebenswichtig für uns«, sagte Orrin leise. »Tu, was du kannst, Calvar. Es wäre ein schwerer Schlag für die Moral, wenn ihm etwas zustieße.«
»Glaubst du, das weiß ich nicht?« fauchte der Arzt.
Das Bankett zur Feier der Offenen Schwertkämpfe war eine rauhe Angelegenheit. Alle, die es bis unter die letzten hundert geschafft hatten, waren eingeladen. Offiziere und Soldaten saßen Seite an Seite und tauschten Geschichten, Scherze und Prahlereien aus.
Gilad saß zwischen Bar Britan, der ihn gründlich besiegt hatte, und Dun Pinar, der im Gegenzug Britan geschlagen hatte. Der schwarzbärtige Bar verwünschte Pinar gutgelaunt und beschwerte sich, daß dessen Holzschwert nicht so gut ausbalanciert war wie sein eigener Kavalleriesäbel.
»Es überrascht mich, daß du nicht um Erlaubnis gebeten hast, zu Pferde zu kämpfen«, sagte Pinar.
»Habe ich doch«, protestierte Britan, »und sie haben mir ein Zielpony angeboten.« Die drei Männer brachen in Gelächter aus, in das andere einfielen, als der Scherz die Runde machte. Das Zielpony war ein Sattel, der an eine bewegliche Leiste angebunden war und an Seilen gezogen werden konnte. Man verwendete es für Übungen im Bogenschießen und für Turniere.
Je mehr Wein floß, desto mehr entspannte sich Gilad. Er hatte ernsthaft überlegt, dem Bankett fernzubleiben, da er fürchtete, sich aufgrund seiner Herkunft unter den Offizieren unwohl zu fühlen. Er hatte nur zugestimmt, weil die Männer seiner Gruppe auf ihn eingeredet und dabei unterstrichen hatten, daß er der einzige der Gruppe Karnak war, der die letzten hundert erreicht hatte. Jetzt war er froh, daß er sich hatte überreden lassen.
Bar Britan war ein trockener, witziger Gesprächspartner, während Pinar, trotz seiner Erziehung – oder vielleicht gerade deswegen – Gilad das Gefühl gab, unter Freunden zu sein. Am anderen Ende des Tisches saß Druss, flankiert von Hogun, Orrin und dem Anführer der Bogenschützen aus Skultik. Gilad wußte nichts von dem Mann, nur daß er sechshundert Bogenschützen mitgebracht hatte.
Hogun, der die volle Legionsrüstung mit silberner Brustplatte, eingelegt mit Ebenholz, und dazu ein schwarzsilbernes Kettenhemd trug, starrte auf das silberne Schwert, das vor Druss auf dem Tisch lag.
Mehr als fünftausend Zuschauer hatten das Finale miterlebt, als Hogun und Orrin einander gegenüberstanden. Der erste Streich ging auf Hoguns Konto, eine saubere Parade und Riposte nach einem vierminütigen Duell. Den zweiten konnte Orrin anbringen, nach einer auf den Kopf gezielten Finte. Hogun hatte rasch pariert, aber eine leichte Drehung des Handgelenks, und die Holzwaffe seines Gegners traf seine Seite. Nach etwa zwanzig Minuten führte Hogun mit zwei Treffern zu eins – und war nur noch einen Treffer vom Sieg entfernt.
In der ersten Pause schlenderte Druss zu Hogun und seinen Sekundanten, die im Schatten von
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